Raub-Serie : "Sind zu einer Festung geworden"

Raub-Serie : "Sind zu einer Festung geworden"
Am Samstag wurde schon wieder ein Juwelier überfallen. Die meist serbischen Banden haben Wien im Visier. Die Opfer rüsten auf.

Mit Masken getarnt stürmten Samstag um 9.30 Uhr drei Männer einen Juwelier in der Brünner Straße 17 in Wien-Floridsdorf. Der Besitzer wurde mit einer Pistole bedroht, zwei Täter raubten das Geschäft aus. Die Bande entkam mit einem gestohlenen VW-Golf. Sie sind flüchtig. Es war der 16. Juwelier-Raub 2012. Ein trauriger Rekord. Jetzt rüstet die Branche gegen die Kriminellen auf.

"Wir sind zu einer Festung geworden", erklärt eine Nobeljuwelierin aus Wien wehmütig. Die Geschäftsfrau legt Wert auf Anonymität: "Wir wurden bereits drei Mal überfallen. Mich haben die Täter jedes Mal mit der Waffe bedroht. Das bleibt im Hinterkopf. Die Beute betrug gesamt 480.000 Euro."

Sicherheitsschleuse

Nach dem letzten Raub 2011 setzten die Juwelierin und ihr Bruder einen radikalen Schritt: "Wir bunkerten uns ein." Das Verkaufslokal wurde mit Panzerglas gesichert. Und erstmals verbarrikadierte sich ein Wiener Juwelier hinter einer Sicherheitsschleuse aus Panzerglas. Kosten: 180.000 Euro. "Wir lassen unbekannte Kunden nur einzeln ins Geschäft. Jetzt leben wir ruhiger."

Oberstleutnant Robert Klug vom Landeskriminalamt (LKA) macht mit seiner Truppe Jagd auf die Banden: "Sie sind effizient, bestens organisiert und brutal." Und sie haben Österreich, hier vor allem Wien, im Visier. Wurden 2011 im Bundesgebiet 19 Juweliere überfallen, waren es heuer alleine in Wien bereits 16.

Dass die serbischen Banden keine Skrupel kennen, zeigten sie auch beim Überfall auf den Nobel-Juwelier Kornmesser am Graben vom 18. Jänner. Geschäftsführer Ernst Klimitsch schildert die entsetzlichen Minuten: "Sie riefen ,I kill you" und hielten meinem Neffen 15 Minuten lang die Pistole ins Gesicht." Die Bande konnte mit einer Million Beute entkommen.

Kriminalist Klug weiß die Täter in Serbien und spricht indirekt von Sisyphus-Arbeit: "Wir wissen von der Cacak- und Uzice-Connection. Das sind Hochburgen des organisierten Verbrechens. Die Täter flüchten sofort dorthin. Selbst wenn wir sie identifizieren, bleiben sie ungeschoren. Denn Serbien liefert keine Staatsbürger aus." Das organisierte Verbrechen in den beiden Städten ist militärisch strukturiert. Im Hintergrund suchen Organisatoren Zielgebiete und Opfer aus, sorgen für Fahrzeuge und Ausrüstung. Hehler bringen dann die Ware im Ausland an die Kunden. Die Räuber selbst werden "Soldaten" genannt und sind um die 20 Jahre alt.

Arbeitsunfähig

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Die Branche lebt in Angst. Viele der Überfallenen brauchen psychologische Hilfe. Frank Thomas Moch, Gremialvorstand der Juweliere blickt hinter die glitzernden Fassaden: "Ein Kollege wurde nach mehreren bewaffneten Überfällen arbeitsunfähig. Er schafft es nicht mehr, sein Geschäft zu betreten."

Die Situation ist dermaßen angespannt, dass die Wirtschaftskammer mit der Opferschutzorganisation Weisser Ring zusammenarbeitet. Moch: "Psychologen betreuen unsere Mitglieder. Eine angesetzte Waffe muss man einmal verarbeiten."

Maria Gammer, Geschäftsführerin des Weißen Ringes: "Psychologen können den Albtraum nicht ungeschehen machen. Aber die Opfer lernen, damit umzugehen."

Täter merken nicht, wenn Alarm ausgelöst wird

Der Verkaufsdirektor des Hel-Wacht Bewachungsdienstes, Raimund Prais rät Juwelieren und Banken zu einer Kombination der Sicherungsmaßnahmen: "Ein bewaffneter Doorman in zivil verbreitet ein Sicherheitsgefühl. Und er scannt geistig die Kunden, die in das Geschäft kommen."

Zusätzlich, so der Sicherheitsprofi, steht neuerdings ein Alarmtaster, der am Körper getragen wird zur Verfügung: "Wird der Knopf gedrückt, schalten sich die Kameras ein und der Alarm geht bei Exekutive und Sicherheitsdiensten los. Die Täter merken davon nichts. Ein enormer Vorteil."

Ilse Köck, Juwelierin in der Amerlingstraße verwendet diesen Alarmtaster bereits: "Ich wurde mehrfach ausgeraubt und überfallen. Zusätzlich hab’ ich jetzt meinen Schäferhund Nick im Geschäft. Auch die Türe ist verriegelt. Kunden müssen anläuten. Ich lasse nie mehr als zwei Personen in mein Geschäft." Ihre Kollegin Marion Litschke von der Mariahilfer Straße hat sich zu ihrer Alarm- und Videoanlage ebenfalls einen Wachhund angeschafft: "Hunde spüren es, wenn jemand stehlen will." 

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