Ein Jahr Haft für Banker, der Stiefbruder erschoss

Prozess am Landesgericht Korneuburg.
Mordanklage wurde einstimmig verworfen. Wiener Banker wurde wegen grob fahrlässiger Tötung verurteilt, aber unmittelbar nach der Verhandlung in Korneuburg freigelassen.

Der Wiener Banker, der am 18. September 2015 in seiner Wohnung in Wien-Währing seinen Stiefbruder Eric J. (42) erschossen hat, ist am Mittwoch wegen grob fahrlässiger Tötung zu einer einjährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Mordanklage wurde von den Geschworenen im Landesgericht Korneuburg einstimmig verworfen.

Alle acht Laienrichter glaubten dem 45-Jährigen, dass es sich bei dem Geschehen um einen Schießunfall gehandelt hatte. Der Banker wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Da ihm die rund neun Monate, die er in Untersuchungshaft verbracht hatte, auf seine Strafe anzurechnen waren, bekam er die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe gerichtlich bewilligt.

Staatsanwältin rückte von Mordanklage ab

Am dritten und letzten Verhandlungstag war Staatsanwältin Gudrun Bischof von ihrer Mordanklage deutlich abgerückt. "Es ist eine Tatsache, dass sich Beweismittel in den vergangenen beiden Tagen anders als bisher dargestellt haben", räumte Bischof in ihrem Schlussvortrag ein.

Die Staatsanwältin ließ die an Spannung kaum zu überbietende Verhandlung noch ein Mal Revue passieren und erinnerte daran, dass die vom Wiener Landeskriminalamt beigezogene deutsche Blutspurenmuster-Analytikerin Silke Brodbeck im Vorfeld davon ausgegangen war, dass der angeklagte Banker zum Zeitpunkt der Schussabgabe sich an einem anderen als dem von ihm angegebenen Ort befunden haben musste. Die Gutachterin hielt den vom 45-Jährigen beschriebenen Tathergang für weniger wahrscheinlich als ihre Hypothese, derzufolge sich der Banker hinter bzw. neben der Küchenzeile befunden und im Stehen geschossen haben müsste, was nach Ansicht Brodbecks auf ein beabsichtigtes Schießen hindeutete.

Starke Blutung aus dem Ohr

Das konnte Brodbeck nicht mehr aufrechterhalten, nachdem Gerichtsmediziner Christian Reiter am Dienstagabend nachgewiesen hatte, dass der Kopfschuss vor allem eine starke Blutung aus dem linken Ohr und nicht - wie von Brodbeck angenommen - primär aus dem linken Auge bewirkt hatte. Reiter hielt wörtlich fest, der Schusskanal und die Blutspuren wären mit der Version des Angeklagten "in Deckung zu bringen". Der Banker will auf einem Barhocker seinem Stiefbruder direkt gegenüber gesessen sein, die Beine übereinandergeschlagen, die Pistole mit einer Hand auf einem Knie abgelegt haben und sich mit der anderen Hand nach hinten gebeugt haben, als sich unbeabsichtigt ein Schuss löste.

Brodbeck hatte nach Reiters Ausführungen einräumen müssen, eine Schussposition vom gegenüberliegenden Barhocker wäre "möglich". "Wenn Brodbeck das sagt, führt das zu einer ganz anderen Schlussfolgerung", betonte nun Staatsanwältin Bischof in ihrem Schlussplädoyer. Die Version des Angeklagten sei "nicht auszuschließen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass er sich nicht genau erinnern kann". Sie forderte die Geschworenen auf, "die richtigen Schlüsse aus den Beweisen zu ziehen".

Für eine Verurteilung im Sinn der Anklage "müssen Sie von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein. Wenn Sie Zweifel haben sollten, müssen Sie ihn für die für ihn günstigere Straftat verurteilen", sagte Bischof. Der Angeklagte hatte sich mit fahrlässiger Tötung verantwortet.

"Wenn Sie denken, ich halte das Plädoyer der Verteidigung, möchte ich sagen: Ich bin nicht der Verteidiger. Ich bin auch nicht der Rechtsvertreter der Angehörigen. Ich bin Staatsanwältin. Als Staatsanwältin bis ich der Objektivität verpflichtet", bekräftigte Bischof. Sie gab zu bedenken, ein im Raum stehendes sexuelles Verhältnis zwischen dem Getöteten und der Ex-Frau des Angeklagten habe sich "nicht nachweisen lassen". Es sei "auch nicht bestätigt, dass der Angeklagte ein eifersüchtiger und kontrollierender Mensch ist".

2. Verhandlungstag: Tag der Gutachter im Mordprozess

1. Verhandlungstag: Staatsanwältin sagt für Ex-Mann aus

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