Prostitution: „Für Boxen fehlt die Akzeptanz“

Sandra Frauenberger
SP-Stadträtin Sandra Frauenberger über Verrichtungsboxen, den „Strich“ und fehlende Sachlichkeit

Das 2011 novellierte Wiener Prostitutionsgesetz hat an der Grundproblematik nichts geändert. Die lautet: Niemand will den Straßenstrich – auch nicht, wenn er fünf Gassen entfernt ist. Doch nun muss die Prostitutionsmeile beim Prater der neuen Wirtschafts­universität weichen. Der Bezirk will den Strich per Flächenwidmung verbannen. Einen alternativen Standort gibt es noch nicht.

KURIER: Wohin siedelt der Straßenstrich?

Frauenberger: Eine Erkenntnis aus unserem Sieben-Punkte-Plan ist: Der Strich lässt sich nicht übersiedeln. Eine kommunalpolitische Verlegung funktioniert nicht. Wichtig ist, dass wir die Frauen vorbereiten, etwa mit Streetworkerinnen. Über all das sprechen wir in der Steuerungsgruppe (Anm. ein Expertengremium) vor der Flächenwidmung.

Ortskundige sagen, es gäbe geeignete Plätze, aber niemand traut sich, einen vorzuschlagen. Schlagen Sie einen vor?

Das hat nichts mit trauen zu tun. Wir brauchen die Bezirke dafür. Dass sich kein Bezirk anstellt, war eh klar. Kein Bezirkspolitiker wird sich freiwillig ins Schussfeld stellen.

Stichwort Liesing. An der Brunner Straße ist das Geschäft zwar erlaubt, es gibt aber Proteste von Bürgern und der FPÖ.

Laut Gesetz dürfen Frauen hier stehen. Das durften sie auch früher schon. Ich halte nichts von der Panikmache der FPÖ und ihren Horrorvideos, auf denen gerade mal acht Frauen zu sehen sind. Dort gilt eine zeitliche Einschränkung ab 22 Uhr. Das ist eine moralische Debatte, die sich leider nicht sachlich diskutieren lässt.

Können Sie die Sorgen der Bezirkspolitiker und Anrainer nachvollziehen?

Natürlich. Das kann ich verstehen. Das war auch der Grund, weshalb wir das Gesetz novelliert haben. Kernstück ist ja die Trennung von Straßenprostitution und Wohngebiet. Es wird aber nicht sachlich diskutiert.

Es gibt eine andere Lösung – ein Verbot?

Ich könnte Ihnen jetzt wissenschaftlich sehr lange erklären, warum das unsinnig ist. Aber die politische Antwort lautet: Das wäre der falsche Weg. Sehen wir uns Schweden an: Mittlerweile weiß man, dass dort die Prostitution vollkommen in die Illegalität gedrängt wurde.

In Zürich ist man mutiger als in Wien: Dort gibt es Verrichtungsboxen, in Wien nicht mal Toiletten für Frauen. Wären Boxen für Wien denkbar?

Wir werden auch das demnächst in der Steuerungsgruppe diskutieren. Ich bezweifle aber, dass es dafür Akzeptanz gäbe.

Ist es nicht ein Manko, dass die Frauen keine Fürsprecher oder Interessensvertretung haben?

Mir wäre sehr daran gelegen, dass es eine bundeseinheitliche Regelung und eine Interessensvertretung gibt. Sie sind das schwächste Glied in der Kette. Die Abschaffung der Sittenwidrigkeit war ein erster Schritt. Mir geht es darum, dass die Frauen sicher sind, aus der Illegalität geholt werden und selbstbestimmt arbeiten.

Um 100 Euro so viel Sex, wie man will, lautet der Slogan des geplanten „Flatrate-Bordells“. Was sagen Sie als Frauenpolitikerin dazu?

Widerlich – das war mein erster Gedanke. Man muss jetzt genau prüfen, ob das möglich ist. Ausbeutung zum Maximum darf nicht sein.

Medien haben für das Modell ganz unterschiedliche Namen geprägt. „Drive-in-Bordell“ nennt sie der Boulevard. Es handelt sich um garagenähnliche Plätze, in denen Straßenprostituierte ihren „Dienst am Kunden“ direkt im Auto erledigen können.

Erstmals wurden sie 1986 in Holland aufgestellt, in Deutschland 2001 in Köln. Jetzt will auch Zürich dieses Modell umsetzen. Die Kommunen verfolgen damit zwei Ziele: Sie versuchen, den Straßenstrich aus Wohngegenden abzusiedeln. Außerdem sollen die Boxen den Frauen mehr Schutz bieten.

Sex-Boxen in der Schweiz:

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SWITZERLAND PROSTITUTION
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SWITZERLAND PROSTITUTION
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SWITZERLAND PROSTITUTION

Der Freier fährt mit seinem Pkw durch einen Parcours, sucht sich eine Prostituierte aus und fährt dann in die Holzgarage. Darin befindet sich in Reichweite ein Alarmknopf. Frauen können damit im Ernstfall Hilfe alarmieren. Nebenan gibt es oft sanitäre Einrichtungen.

Doch auch an den Boxen gibt es Kritik. Einige wurden geschlossen. Sie würden die Prostitution fördern und zu einem Anstieg der Sexarbeiterinnen führen. Andere monieren, dass Frauen stigmatisiert würden und es der erste Schritt zu einem Verbot sei.

Gesetzesnovelle

Das im November 2011 novellierte Wiener Prostitutionsgesetz stellte die Branche auf den Kopf. Fortan galt: Bordelle brauchen eine eigene Genehmigung. Überdies ist das Geschäft auf der Straße in Wohngebieten verboten. Durch Letzteres wurden der 14. und 15. Bezirk entlastet. Die bisher gültige, aber nicht praktikable Verbotszonen-Regelung (150-Meter-Zone) wurde gestrichen. Jetzt muss auch der Strich beim Wiener Prater aufgrund der neuen WU weg. Ein alternativer Standort müsste in einem Gewerbe- oder Industriegebiet liegen. Zwar dürfen laut Gesetz Bezirke in Wohngebieten „Erlaubniszonen“ für die Prostitution einrichten, dazu war aber bisher keiner bereit.

Sittenwidrigkeit

Weil das Gewerbe wider die guten Sitten war, konnten Prostituierte keinen Lohn einklagen. Im Vorjahr hob der OGH die Sittenwidrigkeit auf.

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