Wien: Das Märchen vom teuren Naschmarkt

Paradeiser am Naschmarkt: Günstiger als im Supermarkt?
Der Naschmarkt sei teuer, heißt es. Supermärkte würden Obst und Gemüse der gleichen Qualität viel günstiger anbieten. Aber ist es wirklich so? Ein Preisvergleich.

Der Naschmarkt muss derzeit viel Kritik über sich ergehen lassen, Stichwort: Oliven und Trockenfrüchte. Auch teuer soll der Markt sein. Die Supermärkte, die fast direkt an den Naschmarkt grenzen, würden die gleiche Qualität viel günstiger anbieten. Höchste Zeit, diese Annahme auf die Probe zu stellen: Wir haben die Preise von ausgewählten Obst- und Gemüsesorten vergleichen.

Aber Produkte zu finden, die sich vergleichen lassen, ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Die Kriterien für Obst und Gemüse sind vielfältig und reichen von Sorte, Herkunft und Klasse bis zur Art des Anbaus (Bio oder konventionell). Bei Kirschen etwa, derzeit fast überall im Sortiment, wurden bei acht Händlern sechs verschiedene Herkunftsländer, Sorten und Kategorien vorgefunden: Österreichische, italienische, griechische, " Grace Star", "Herzkirschen", "Premium" und undeklarierte Sorten. Ähnlich verhielt es sich mit den Marillen, fast jeder Händler bot ein unterschiedliches Produkt an.

Rispentomaten-Index

Es gibt aber Waren, die fast überall mit ähnlichen Eigenschaften im Sortiment zu finden und daher gut vergleichbar sind. Rund um den Naschmarkt ist das etwa die klassische Rispenparadeiser aus Österreich. Verglichen wurden eine Billa-Filiale in der Linken und eine Hofer-Filiale in der Rechten Wienzeile mit sechs Gemüseständen am Naschmarkt: Himmelsbach, Obsteck, Berber, Kuczera, Özyürek und Dogi. Stichtag war der 20. Juni.

Das Ergebnis: Während beim Supermarkt-Riesen Billa für Rispenparadeiser am Stichtag 3,45 Euro je Kilo zu berappen waren, und beim Diskonter Hofer 2,19 Euro, lag das günstigste Angebot am Naschmarkt wenige Meter weiter bei 1,60 Euro (Gemüsestand Özyürek). Vier weitere Naschmarkthändler unterboten das Angebot von Billa, ein weiterer auch jenes von Hofer.

Auch Zucchini sind häufig in ähnlichen Ausführungen in den Sortimenten anzutreffen. Im Gegensatz zu den meisten Supermärkten rechnen die Markthändler in dieser Kategorie allerdings nicht in Stück, sondern in Kilogramm ab. Eine handelsübliche Zucchini wiegt rund 250 Gramm. Der Stückpreis bei Billa wurde daher hochgerechnet, um eine Annäherung an den Kilopreis zu erhalten. Billa liegt mit seiner Bio-Zucchini aus Italien um zirka 3,15 Euro je Kilogramm am oberen Ende der Preisskala. Hofer unterbietet mit 1,29 Euro je Kilo österreichische Zucchini sowohl Billa und Markt. Am Naschmarkt lag das günstigste Angebot bei 2,00 Euro je Kilogramm (Dogi) und der Schnitt bei 3,00 Euro. Aber: Die Naschmarkt-Zucchini stammten ausschließlich aus Italien und aus konventionellem Anbau.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war der Hofer-Preis für ein Kilogramm Zucchini mit 5,16 Euro angegeben. Dabei ist uns ein Fehler unterlaufen, tatsächlich lag der Preis bei 1,29 Euro je Kilo. Wir bedauern.

Trotz dieser Unschärfen kann gesagt werden, dass der Diskonter Hofer die Naschmarktpreise überwiegend unterbietet. Ein extremer Fall war am Stichtag ein Aktionspreis für spanische Nektarinen von 0,89 Euro je Kilo. Das günstigste Angebot am Markt betrug 2,40 Euro (Özyürek), das teuerste 6,80 (Himmelsbach). Billa kam auf 3,99 Euro. Das Preisniveau der Rewe-Kette lag in der Regel zirka am Naschmarkt-Schnitt bei einem zusätzlichen Fokus auf heimische und Bio-Produkte. Aktionspreise sowie Eigenmarken, zum Beispiel bei Bananen und Äpfeln, setzen die Marktstandler aber unter Druck.

Preisgefälle am Markt

Der Vergleich zeigt auch ein ausgeprägtes Preisgefälle am Markt selbst. Die günstigsten Angebote, die regelmäßig unter Billa-Preisen liegen, sind im hinteren Drittel des Markts in Richtung Kettenbrücke zu finden. Die teuersten im vorderen Teil beim Karlsplatz, der generell die eher gut betuchte Klientel anzieht. Diese Unterschiede sind seit jeher am Naschmarkt zu beobachten und treiben den Preisschnitt nach oben. Der Gemüsestand Himmelsbach hat die höchsten Preise, allerdings geben sogar Konkurrenten am Markt hinter vorgehaltener Hand zu, dass die Qualität hier besonders gut ist.

Lesen Sie hier den ersten Teil der Naschmarkt-Serie: "Was hinter dem Antipasti-Boom steckt"

Der Wiener Naschmarkt-Plan

Die Namen und Sparten der Naschmarktstände, die Warenkategorie und die Aufteilung der Flächen veranschaulicht unser interaktiver KURIER-Naschmarkt-Plan die bisher umfassendste, öffentlich zugängliche Karte des Markts.

Mit Klick auf die jeweilligen Reiter gelangen Sie zu den unterschiedlichen Ansichten: "Markt" für die Gesamtansicht, "Handel" für Händler-Stände und ihre Produkte und "Handel mit Gastro" für jene Händler, die auch die kleine Gastronomie betreiben.

Anmerkung: Bei den Warenkategorien handelt es sich um die augescheinlich überwiegende Warengruppe eines Stands, die Einteilung erhebt keinen Anspruch auf die vollständige Darstellung des Sortiments.
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