Patientin im Koma: Spital verurteilt

APA6641518-2 - 26012012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - Das Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien aufgenommen am Donnerstag, 26. Jänner 2012. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Junge Chinesin nach Blinddarm-Operation ein Pflegefall. Rund 400.000 Euro Schadenersatz

Im Wiener Krankenhaus Göttlicher Heiland kam es vor, dass die akustischen Alarmsignale der Überwachungsmonitore abgeschaltet wurden. Zumindest eine Krankenschwester fühlte sich von dem Ton gestört. Sie wollte in Ruhe lesen, während ihr die frisch operierten Patienten im Aufwachraum anvertraut waren.

Kontrolliert wurde das von niemandem. Ein dafür zuständiger Oberarzt der Anästhesie sagte später als Zeuge: „Die Schwestern müssen die Monitore einschalten und kontrollieren, ich hoffe, sie machen das.“ Das Gericht wertete diese Aussage als ein „Herauswinden“.

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Repro: chinesische Studentin, Fehlbehandlung im Spital
Die damals24-jährige Studentin Qingqing Wu hatte am 11. Februar 2008 nach einer routinemäßigen Blinddarmoperationdas Schmerzmittel Dipidolor bekommen. Eine bekannte Nebenwirkung solcher Opiate ist die Atemdepression, welche jedoch mit Überwachung verhindert werden kann. Das Alarmsignal war aber (wieder einmal?) ausgeschaltet worden. Als die Krankenschwester von ihrem Buch aufblickte, war die Patientin bereits blau im Gesicht. Sie muss eine halbe Stunde lang unter Atemnot gelitten haben, mindestens fünf Minuten oder länger hatte das Gehirn keinen Sauerstoff erhalten. Die Schwester holte die Ärzte, da war auf dem Monitor keine Wellenlinie mehr sichtbar und kein Puls mehr fühlbar.
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Die Reanimation konnte nicht verhindern, dass die junge Chinesin ein Pflegefall bleiben wird. Sie muss Tag und Nacht liegen, in einer Art Wachkoma, kann sich nicht verständigen. Ihre Mutter sorgt rund um die Uhr für sie.

Seit fünf Jahren geht das so, jetzt wurde das Krankenhaus – das immer neue Gutachten forderte – endlich (in erster Instanz) zur Haftung verurteilt. Familie Wu bekommt mithilfe ihres Rechtsanwalts Stefan Stoiber rund 400.000 Euro (um die exakte Summe wird noch prozessiert). Das Gericht bezeichnet die Überwachung als grob sorgfaltswidrig: „Es darf gerade nicht passieren, dass ein Patient nach einer Operation gerade in dieser gesicherten Einrichtung über mehrere Minuten sich selbst überlassen wird“, steht im Urteil.

Noch ein Fall

Gelernt, wie man so sagt, hat das Krankenhaus aus der Tragödie offenbar nichts. Neun Monate später starb die 23-jährige Kirstin Rehberger nach einer routinemäßigen Fußoperation. Auch sie hatte Dipidolor gegen die Schmerzen bekommen und einen Atemstillstand erlitten, der mangels Überwachung unbemerkt blieb.

Zwei Ärzte und ein Verantwortlicher des Spitalserhalters müssen deshalb wegen fahrlässiger Tötung vor das Strafgericht.

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