Neue Strategie: Bettler-Clans sind wieder hochaktiv

Bettler auf der Favoritenstraße
Bettler konzentrieren sich auf die Einkaufsstraßen. Auch Kinder werden eingesetzt. Handel protestiert und verlangt nach Maßnahmen.

Flaniert man bei dem feinen Spätsommerwetter durch Wien, sind sie unübersehbar: Bettler als Teil des Stadtbildes. Ein Lokalaugenschein des KURIER zeigt, dass sie sich auf die Einkaufsstraßen der Stadt konzentrieren. Besonders beliebt sind Kärntner-, Mariahilfer- und Favoritenstraße. Auch die Anzeigenstatistik der Polizei bestätigt einen Aufwärtstrend. Wurden im Jänner noch 119 Bettel-Delikte angezeigt, waren es im Juli bereits 158 solcher Anzeigen.

Der Leiter der Abteilung gegen Menschenhandel und Bettelei im Bundeskriminalamt, Gerald Tatzgern bestätigt die Entwicklung: "Wir spüren aktuell mehr Bewegung in der Szene. Es handelt sich dabei in der Regel um Ausbeutungs-Kriminalität. Die Bettler werden von Clanchefs gezwungen." Tatzgern spricht von einer hohen Brisanz: "Von den Bossen werden auch Kinder eingesetzt. Neben Betteln müssen sie auch stehlen. Es sind sogar befohlene sexuellen Handlungen gegen Bezahlung bekannt." Die jüngsten Kinder die zumindest betteln und/oder stehlen müssen, sind erst sieben bis acht Jahre alt.

Neue Strategie: Bettler-Clans sind wieder hochaktiv
Bettler auf Einkaufsstraßen in Wien

Ernste Konsequenzen

In einigen Fällen sind bereits Gerichte aktiv. Doch die Ermittlungsarbeit gestaltet sich extrem schwierig, da die Opfer in den wenigsten Fällen mit den Behörden kooperieren. Der Grund ankert in der Struktur der Clans. Sie kommen Großteils aus Rumänien und Bulgarien und touren durch die wohlhabenden Staaten der EU.

Für die Bettler werden Transport und Wohnungen in den Zielländern zur Verfügung gestellt. Die Einnahmen müssen sofort zur Gänze abgeliefert werden. Tatzgern: "Die Bezahlung für die Betteldienste erfolgt, wenn überhaupt, erst im Heimatland. Wer mit Behörden zusammenarbeitet, muss spätestens zu Hause mit ernsten Konsequenzen rechnen." Abhängigkeit und Angst regieren demnach die Bettler-Szene.

Neue Strategie: Bettler-Clans sind wieder hochaktiv
Bettler auf Einkaufsstraßen in Wien, Mariahilfer Straße
Für den Wiener Handel stellten die Bettler-Gruppen langsam aber sicher ein Problem dar. Rainer Trefelik, Chef des Handels in der Wirtschaftskammer, spricht von Geschäftsschädigung: "Die Gewerbsmäßigkeit ist nicht mehr zu kaschieren. Es braucht in der Stadt eine Regelung. Diese Bettel-Touren müssen unterbunden werden." Nachsatz: "Hinter jedem dieser behinderten Menschen steckt ein trauriges Schicksal. Aber wir müssen die politische Diskussion, die bereits im Laufen war, wieder in Gang bringen. Zur Zeit versteckt sich die Politik hinter dem Problem."
Neue Strategie: Bettler-Clans sind wieder hochaktiv
Bettler auf Einkaufsstraßen in Wien, Favoritenstraße
Der Wirtschaftskammer-Funktionär macht sich für einModell wie in Salzburgstark. Dort gibt es dank sektoraler Bettler-Zonen mehr Klarheit: "Wird die Gewerbsmäßigkeit offensichtlich, reagieren die Behörden und die Exekutive. Es werden Strafen verhängt und Anzeigen erstattet." Trefelik führt selbst ein Geschäft in der City. Er hat beobachtet, wie ein Bettler mehrere Stunden lang in einem nahe gelegenen Hausdurchgang gelegen ist: "Ich verstehe die Probleme der Polizei. Aber Wegschauen darf nicht sein. Mehr Engagement wäre nötig."
Neue Strategie: Bettler-Clans sind wieder hochaktiv
Bettler auf Einkaufsstraßen in Wien, Mariahilfer Straße

NÖ will härter gegen Bettler durchgreifen

Seit 2010 ist in Niederösterreich ein Bettelverbot in Kraft. Es stellt gewerbsmäßiges Betteln, Betteln von Tür zu Tür und Betteln mit Minderjährigen unter Strafe. Hinter den Polit-Kulissen wird nun überlegt, die Rahmenbedingungen zu verschärfen, um noch härter durchgreifen zu können.

"Es gibt immer wieder unbefriedigende Situationen", sagt ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger zur nö. Rechtslage in Sachen Betteln. Aggressives Betteln und Betteln mit Kindern sei im Land ohnehin verboten. Mancherorts werden jedoch auch die so genannten "stillen Bettler" bzw. Zeitschriftenverteiler als massiv störend empfunden. "Dass man da keine Handhabe hat, ist für die Bürger unverständlich." Deshalb sei er nun mit dem zuständigen Landesrat Tillmann Fuchs (FRANK) in Gesprächen, um das Verbot rechtlich auszuweiten.

"Wir haben die Situation in Salzburg abgewartet", sagt der ÖVP-Klubchef zum Zeitpunkt der Initiative. Dort wurde das so genannte "sektorale Bettelverbot" (bestimmte Plätze, wo nicht gebettelt werden darf, Anm.) jüngst deutlich ausgeweitet. Nachdem das Verfassungsgericht in der Vergangenheit immer wieder regionale Bettelverbote gekippt hat, war die Spannung groß, ob die Salzburger Regelung hält. Schneeberger: "Wir wollten kein Gesetz erlassen, das uns dann jemand kippt."

Wie das strengere Bettelverbot im Detail ausschauen wird, sei noch zu klären. Fakt ist aber, dass noch im Herbst ein Landesgesetz entstehen soll, das es einzelnen Gemeinden ermöglicht, bei Bedarf sektorale Bettelverbote zu erlassen. Diese Möglichkeit gab es bis jetzt in Niederösterreich nicht. "Wir wollen hier einfach Handlungsspielräume geben", sagt Schneeberger. Vorstellbar ist, dass Bettler in diesen Zonen weggewiesen werden können oder mit Verwaltungsstrafen rechnen müssen.

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