Naschmarkt:"Nur mehr eine Fressmeile für Touristen"

Gazi Özyürek klagt über die Situation am Naschmarkt
Krisensitzung: Bezirksvorsteher Rumelhart möchte eine Markthalle. Die Grünen: "Das ist kompletter Wahnsinn."
Naschmarkt:"Nur mehr eine Fressmeile für Touristen"
Naschmarkt
Beim Anblick der Menschenmengen, die sich durch die Gassen zwischen den Ständen drängen, klingt es fast paradox, aber: „Das Geschäft ist eine Katastrophe“, klagt Standbesitzer Gazi Özyürek über die Situation am Naschmarkt. Die Besucherzahlen des Naschmarktes steigen zwar, aber die Kunden sind entweder Touristen, die „nur schauen“ oder Gäste der hippen Gastromeile. Immer weniger Menschen kommen hingegen zum täglichen Einkauf. Erst Ende August sperrte die Fleischerei Radatz wegen „dramatischen Kunden- und Umsatzrückgangs“ ihre Filiale am Markt (der KURIER berichtete). Auch Verkäuferin Ella Garivor findet: „Der Markt ist eine Sehenswürdigkeit geworden; eine Fressmeile für Touristen.“

Handlungsbedarf

Die Mariahilfer Grünen wollen das nicht mehr tatenlos mitansehen: „Wenn wir wollen, dass es den Markt in zehn, 15 Jahren noch gibt, dann müssen wir jetzt handeln“, sagt Gemeinderätin Susanne Jerusalem. Am Freitag gab es eine Sondersitzung der Bezirksvertretung. Drei Stunden lang wurde dabei heftig diskutiert.

Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ) möchte den Markt mit einer Markthalle „fit für die Zukunft“ machen. Damit könnte man die Nahversorger an einem Ort bündeln und verhindern, dass sich jene Menschen, die nur rasch etwas einkaufen wollen, von den Touristen am Markt abschrecken lassen.

Jerusalem dazu: „Das ist kompletter Wahnsinn.“ Dass Markthallen selten funktionieren, hätte man ja schon am Beispiel von Wien Mitte gesehen. Eine Überplattung des Wienflusses würde den Markt entwerten.

Ähnlich sieht das Peter Jaschke. Mit seiner Initiative „Rettet den Naschmarkt“ ist er darum bemüht, die bestehende Situation zu verbessern. Sein Resümee: „Es ist genau nix passiert.“

Naschmarkt:"Nur mehr eine Fressmeile für Touristen"
Naschmarkt Karl Kuczera
Zum Beispiel rund um die hohen Ablösen, die die Stadt vor mehr als einem Jahr regulieren wollte, um etwaige Spekulationen zu verhindern. Viele Standler sehen das nicht ein. Wie etwa Karl Kuczera, der seit 40 Jahren einen Obststand führt: „Ich investiere viel Geld in meinen Stand. Das möchte ich auf jeden Fall zurückhaben, sollte ich ihn einmal verkaufen.“

Andere Zeiten

Die ebenfalls langjährige Standlerin Martina Himmelsbach kann die ganzen Diskussionen nicht nachvollziehen. Die Zeiten ändern sich nun einmal. Menschen kochen weniger, dafür gehen die Leute mehr auswärts essen. Darauf muss ein Markt eben reagieren.

Karl Kuczera würde es zudem begrüßen, wenn nicht immer über die Köpfe der Standler hinweg bestimmt werden würde, sondern sie auch nach ihrer Meinung gefragt werden. Das hätte Bezirksvorsteher Rumelhart gerne gemacht. Aber diese Resolution wurde abgelehnt.

Lieber Naschmarkt, es ist aus. Da hilft selbst deine schärfste Wasabi-Nuss nichts mehr. Natürlich schmerzt der Abschied. Es sind schließlich 26 gemeinsame Jahre. Seit meiner Geburt. Ich bin gleich neben dir aufgewachsen, das tägliche Einkaufen an Mamas Hand gehört zu meinen Kindheitserinnerungen. Ich habe gesehen, wie die ersten Lokale aufgesperrt haben, wie du immer angesagter wurdest.

Wenn andere schimpften, dass du dich in eine kommerzielle Fressmeile verwandelt hast, war ich empört. Ach kommt, habe ich gerufen, er ist immer noch der beste Markt in Wien.

Verstehe mich nicht falsch, ich freue mich immer noch, wenn ich durch deine Stände spaziere und als "Madame" mit Falafeln bezirzt werde. Doch nun muss ich der Wahrheit ins Gesicht blicken. Naschmarkt, du hast dich verändert. Und es liegt nicht an den unzähligen Schönheitsoperationen der vergangenen Jahre. Die neuen Leitungen und Pflasterungen, die sind schon okay. Aber du bist wirklich teuer, überfüllt und austauschbar geworden. Auch wenn du noch tolle Seiten hast. Den exotischen Salat beim Do’An zum Beispiel. Der schmeckt seit mehr als zehn Jahren gleich, nämlich ausgezeichnet. Das Ambiente an einem lauen Sommerabend. Oder die verbliebenen Gemüse-Standl-Veteranen.

Aber Souvenirläden? Schlüsselanhänger mit deinem Konterfei? Ich dachte immer, was wir haben, ist exklusiv. Für die Ewigkeit. Aber als du mir letztens nach dreißig Minuten Wartezeit einen wässrigen Caffè Latte für 3,50 Euro vorgesetzt hast, ist mir klar geworden: So geht das nicht weiter. Ich habe etwas Besseres verdient.

Sei nicht traurig, lieber Naschmarkt. Ich werde noch oft an dich denken. Nur mein Humus, das esse ich jetzt woanders.

Deine Leila

P.S.: Und ja, ich habe einen Neuen. Es ist zwar nicht die große Liebe, aber der Yppenmarkt ist einfach jünger, richtig fesch. Und es gibt keine Abzocker-Buden. Solltest du auch einmal probieren.

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