Nach Blinddarm-OP im Koma

Repro: chinesische Studentin, Fehlbehandlung im Spital
28-jährige Studentin wird ihr Leben lang ein Pflegefall bleiben.

In der Sprache der medizinischen Sachverständigen klingt das so: „Möglicherweise diskrete Reaktionen auf Kontakt mit der Mutter.“

Im Alltag bedeutet das für die Eltern von Quingquing Wu: „Es ist keine Kommunikation mit ihr möglich.“ Die Mutter erzählt, dass ihre Tochter gelegentlich emotionale Gefühle wie Traurigsein oder Lachen äußert, manchmal schreit und manchmal weint, „ohne dass wir den Grund erkennen können“.

Die Tochter ist 28 Jahre alt und hat einst Wirtschaft studiert. Seit einer Blinddarm-Operation vor fast fünf Jahren im Wiener Krankenhaus „Göttlicher Heiland“ liegt sie in einer Art Wachkoma. Und seit damals kämpfen die Eltern, die das Mädchen Tag und Nacht pflegen, mit dem Spital beziehungsweise dessen Versicherung um einen finanziellen Ausgleich. Die Familie betreibt ein Chinarestaurant in Leoben in der Steiermark, der Vater muss sich nun allein darum kümmern, weil die Mutter daheim bei Quingquing gebraucht wird. Diese wird ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen sein. Der Wiener Rechtsanwalt Stefan Stoiber hat für die Familie 272.000 Euro eingeklagt, aber bis jetzt hat sie keinen Cent bekommen.

Rückblende

Nach Blinddarm-OP im Koma
Repro: chinesische Studentin, Fehlbehandlung im Spital
11. Februar 2008: Quingquing Wu wird nach der Blinddarm-Operation in den Aufwachraum gebracht und bekommt gegen die Schmerzen Dipidolor verabreicht. Nebenwirkung dieses Präparats ist eine sogenannte Atemdepression, die bis zur Atemlähmung gehen kann. Aufgeklärt hat die Patientin über dieses Risiko niemand. Im Aufwachraum befanden sich damals veraltete Überwachungsmonitore. Zeugen sagen später im Prozess aus, dass die Geräte oft Fehlalarm auslösten und deshalb ausgeschaltet wurden. Laut einer Oberärztin funktionierten die inzwischen ausgetauschten Monitore nur so lange gut, so lange „der Patient ruhig gelegen ist“. Eine Pflegerin berichtet als Zeugin, dass die Patientin plötzlich „total blau“ ausgesehen habe. Es trat Atemstillstand ein, gefolgt von Herzstillstand, die Wiederbelebungsmaßnahmen hatten zwar Erfolg, doch war das Gehirn bereits geschädigt.

Am 18. 11. 2010 ergab das Gutachten des intensivmedizinischen Sachverständigen Kurt Hudabiunigg glasklar, dass die Folgen „mit Sicherheit auf einen durch das Medikament Dipidolor ausgelösten Atemstillstand“ zurückzuführen sind, der „im Aufwachraum verzögert erkannt wurde“.

Aber das Spital bestand auf weiteren Gutachten, und das Gericht folgte dieser Aufforderung. August 2011, Sachverständiger für Anästhesiologie Günter Huemer: Atemstillstand durch Dipidolor, nicht rechtzeitig erkannt. Oktober 2012, das wenig überraschende Gutachten des neurologischen Sachverständigen Michael Feichtinger: Quingquing Wu ist „lediglich zum Ausdruck von Lauten in der Lage, kann jedoch damit ihre Bedürfnisse nicht vermitteln“. Daran werde sich auch nichts ändern.

Endlich ein Urteil? Mitnichten. Nun besteht das Spital darauf, dass der Sachverständige sein Gutachten noch in einer (weiteren) Verhandlung herunterbetet. In den Augen von Anwalt Stoiber reine Verzögerungstaktik. Nächster Termin: Ende Jänner. Für diesen Tag hat die Richterin endlich das Finale (in erster Instanz) angekündigt.

Kommentare