Mutmaßlicher Wahlbetrug: Rüffel für Anklagebehörde

Ausgerechnet am Juridicum sollen Stimmen falsch ausgezählt worden sein
ÖH-Wahl:Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen ein, der Oberste Gerichtshof beurteilt das als gesetzeswidrig.

Gleich nach der ÖH-Wahl 2013 hatte es böse Gerüchte gegeben: Wahlbetrug. Ausgerechnet am Wiener Juridicum, der Schmiede künftiger Richter, Staatsanwälte und Anwälte, seien 289 der insgesamt 2982 abgegebenen Stimmen falsch ausgezählt worden. 266 davon zum Nachteil der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft. Diese erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts, drei Mitglieder (von anderen Fraktionen) einer Unterkommission der Wahlkommission – nämlich ein Vorsitzender und zwei Beisitzer – hätten das Wahlergebnis gefälscht.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien lag der Akt über ein Jahr; am 4. Juli 2014 wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Begründung: ÖH-Wahlen seien keine vom Strafgesetzbuch geschützten Wahlen, eine Manipulation daher kein Amtsmissbrauch.

Die Generalprokuratur (quasi die oberste Kontrollinstanz der strafrechtlichen Vorgänge) richtete zum ersten Mal eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung der Gesetze gegen eine Verfügung der Anklagebehörde: Die Einstellung des Verfahrens wurde als gesetzwidrig erkannt. Die von den Hochschülerschaften an den Universitäten durchgeführten Wahlen werden als Amtsgeschäfte gewertet, eine von Mitgliedern der Wahlkommission vorgenommene vorsätzliche Manipulation stellt daher sehr wohl einen Missbrauch der Amtsgewalt dar.

Der Oberste Gerichtshof gab der Nichtigkeitsbeschwerde recht und beschied der Staatsanwaltschaft Wien, dass ihre Rechtsansicht verfehlt und die Einstellung gesetzeswidrig war.

Üblicherweise geht die Generalprokuratur mit solchen Beschwerden gegen mutmaßliche – bereits rechtskräftige – Fehlurteile vor. Wendet sie sich gegen einen Freispruch und der OGH entscheidet, dass dieser tatsächlich widerrechtlich gefällt wurde, darf das für den Freigesprochenen keine Verschlechterung mit sich bringen. Sprich: Er darf nicht nachträglich noch einmal vor das Strafgericht gestellt und verurteilt werden. Der OGH stellt nur die Fehlerhaftigkeit des Urteils fest, damit hat es sich.

Bei der als falsch befundenen Einstellung des Verfahrens um den mutmaßlichen Wahlbetrug verhält sich das jedoch anders. Sagt niemand geringerer als der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Eckart Ratz.

In der Österreichischen Juristenzeitung (Manz) schreibt Ratz: "Eine als gesetzwidrig erkannte Einstellung ... hindert demnach die Wiederaufnahme der Verfolgung ... nicht." Der Staatsanwaltschaft sind laut Ratz keine nach dem Gesetz vorgesehene, dem Beschuldigten gegenüber nachteiligen Schritte verboten.

Keine Fortsetzung

Die Staatsanwaltschaft Wien denkt jedoch gar nicht daran, die Sache weiterzuverfolgen. Deren Sprecherin Nina Bussek sagt im Gespräch mit dem KURIER, es sei bei der Beurteilung durch den OGH ja nur "um eine Rechtsfrage" – nämlich ob der Beamtenbegriff erfüllt worden sei – gegangen, und nicht darum, ob der Tatbestand tatsächlich verwirklicht worden sei. Ohne neue Beweismittel gäbe es keine Fortführung des Verfahrens, und solche lägen nicht vor. Damit bleibt der mutmaßliche Wahlbetrug unaufgeklärt.

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