"Ich wollte bei Anschlag sterben"
Der Prozess gegen drei junge IS-Terroristen im Landesgericht Wien endete mit hohen Haftstrafen. Davor wurden neue brisante Details bekannt: Das Trio hatte die Absicht, nach dem geplanten Anschlag auf eine Polizeiinspektion in St. Pölten die niederösterreichische Landeshauptstadt unter IS-Kontrolle zu bringen. Außerdem wälzten die Angeklagten Pläne, auch in Wien ein Attentat auf eine Polizeiinspektion zu verüben und Beamte zu erschießen – „egal, wie viele Polizisten dabei draufgehen“, wie ein Beschuldigter formulierte: „Mein Plan war bis zuletzt, bei einem Anschlag auf die Polizei in Wien zu sterben.“
Der heute 19-jährige Wiener, der 2015 in einer Moschee in Meidling binnen kürzester Zeit radikalisiert worden war, sowie ein weiterer 19-Jähriger und ein 22-Jähriger, beides Tschetschenen, waren wegen Mitgliedschaft beim IS („Islamischer Staat“) angeklagt. Sie bekamen von einem 30-jährigen Mitglied der Terrormiliz namens Abu Nuuh aus Syrien den Auftrag, in St. Pölten ein Blutbad anzurichten. Zwei Angeklagte kundschafteten einen Waffenhändler aus, den sie in seiner Wohnung überfallen und zwingen wollten, sein Geschäft zu öffnen, damit sie sich bewaffnen konnten. Anschließend war geplant, Polizisten „in den Kopf zu schießen“. Das Trio wollte dabei laut Staatsanwalt „den ersehnten Märtyrertod sterben“, allerdings flogen die Pläne vorher auf.
Todesliste
Zehn mit Sturmhauben maskierte und mit schusssicheren Westen ausgestattete Justizwachebeamte führten die Angeklagten am Mittwoch in den Verhandlungssaal. Der 22-Jährige wird in der Sonderanstalt Mittersteig angehalten. Er leidet an einer schizoiden Störung und gilt als gefährlich. Alle drei Angeklagten bekannten sich großteils schuldig und gaben sich geläutert. Sie seien von den Ideologien längst befreit und hätten die Terrorpläne von sich aus schon fallen gelassen, auch weil es „keinen Spaß“ mehr gemacht habe. Woraufhin ihnen der IS-Führer gedroht habe, dass sie nun auf der Todesliste stünden. Dieser Abu Nuuh sei „nicht ohne“ gewesen, erklärte ein Beschuldigter.
Die angebliche Abkehr vom radikalen Islam, der die Gesetze in Österreich nicht anerkennt, ist allerdings fraglich. Der 19-jährige Wiener blieb beim Auftritt der Richter ostentativ sitzen. Nach einer lautstarken Moralpredigt des Vorsitzenden Daniel Rechenmacher („Sie haben die Anstandsregeln einzuhalten, hier wird aufgestanden!“) und mit handgreiflicher Unterstützung der Justizwachebeamten erhob er sich schließlich doch noch. Die Angeklagten erklärten beim Prozess, wie sie radikalisiert worden seien: In einer hauptsächlich von Schülern ausländischer Herkunft bevölkerten Hauptschule in Wien sei er „verarscht“ worden, weil er Österreicher ist, sagte der eine.
Bedeutung haben
„Wir wollten zu jemandem gehören. Wir wollten eine Bedeutung haben“, sagte der andere. Man habe vorgehabt, nach Syrien in den Kampf für den IS zu gehen. Was der Richter nicht nachvollziehen kann: „Die meisten Jugendlichen saufen sich am Wochenende an, und Sie gehen lieber nach Syrien?“ Man habe sie dort aber ohnehin nicht haben wollen, sondern mehr Interesse an Attentaten in Europa gehabt. Da sei viel „Gelaber“ dabei gewesen, sagte der Wiener.
Die nicht rechtskräftigen Urteile: 26 Monate unbedingte Haft für ihn, teilbedingte Strafen bzw. Zusatzstrafen zu einer Raub-Verurteilung von 15 bis zu 39 Monaten für die beiden anderen.
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