Mord in der Jägerstraße: Tatversion bröckelt weiter

Der tödliche Schuss fiel am Ostersonntag. Angaben des Angeklagten stimmen nicht mit Gutachten überein
Geständiger ohne Schmauchspuren, der tödliche Schuss fiel nicht aus direkter Nähe.

Es ist ein ungewöhnlicher Fall, der ab kommendem Montag im Landesgericht Wien verhandelt wird: Denn jener Mann, der sich nur Minuten nach dem tödlichen Schuss in der Jägerstraße bei der Polizei stellte und die Tat gestand, wird durch ein Gutachten entlastet. Der Ballistiker Ingo Wieser widerspricht darin den Angaben des 27-jährigen Shkelzen D. – und auch den Aussagen mehrerer Zeugen. Und das gleich in mehreren Punkten.

Mord in der Jägerstraße: Tatversion bröckelt weiter
Interview mit Werner Tomanek und Philipp Wolm. Wien, am 02.11.2017.
Der Kosovare (Anwälte Philipp Wolm und Werner Tomanek) hatte angegeben, sich mit dem gebürtigen Bosnier Igor Z. in der "Blanco Lounge" getroffen zu haben – er wollte eine Aussprache, verdächtigte den Bosnier, ein Verhältnis mit seiner Freundin zu haben.

Das Gespräch eskalierte. Vor dem Lokal, so gab Shkelzen D. an, habe der Kampfsportler Igor Z. auf ihn eingeschlagen. Zimmermann und Türsteher Shkelzen D. habe seine Pistole gezogen, im Gerangel sei der tödliche Schuss gefallen.

Mehrere Männer

Doch laut Zeugen waren vier bis fünf Männer in die Auseinandersetzung verwickelt. Eine Zeugin, die 30 bis 40 Meter entfernt stand, gab zu Protokoll: "Es wirkte so, als ob sich der Mann, der die Waffe gehalten hat, nicht wirklich mit der Handhabung ausgekannt hat. Er wirkte eher unbeholfen und hat mit der Hand (...) weit ausgeholt."

Gutachter Wieser schließt aus, dass der Schuss im Gerangel gefallen sei. Er kam auch zu dem Ergebnis, dass der Schütze zumindest zwei Meter entfernt gewesen sein muss – und auf dem Boden lag. Denn der Schusskanal führt schräg aufwärts. Die Kugel drang erst in den erhobenen Oberarm, dann in die Wange ein und am Scheitel schließlich aus.

Shkelzen D. ließ sichr danach von einem Mann im Auto zur nächsten Polizeiinspektion fahren und legte dort ein Geständnis ab. Der hilfsbereite Autolenker war übrigens Teil der Ermittlungen im Fall der Schutzgeld-Erpressungen rund um den zu zehn Jahren Haft verurteilten Edo D. Genauso wie das Opfer, das in dem Fall als Zeuge aussagte.

Umgezogen?

Am angeblichen Schützen Shkelzen D. fanden sich keine Schmauchspuren. Das findet auch Gutachter Wieser bemerkenswert: "Falls der Angeklagte das untersuchte Gewand bei der Tat getragen hat und sich nicht die Hände gewaschen hat, konnten keine sicheren Anhaltspunkte für eine Schussabgabe nachgewiesen werden."

Eine Tatrekonstruktion gab es bisher nicht – sie wird im Zuge des Prozesses nachgeholt.

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