Mit der Pferdetramway durch die Stadt

Wienbewilligte1864 die1.Straßenbahnlinie, das war der Startschuss für die Öffis, die heute täglich 2,5Millionen Menschen befördern.
Von ursprünglich zwei PS über die "Elektrische" und den Bus bis zur U-Bahn.

Wie hat man sich vor 150 Jahren durch die Stadt bewegt? Nun, unsere Ururgroßeltern legten die meisten Strecken zu Fuß zurück, transportierten ihre Einkäufe und Habseligkeiten auf Leiterwagen, und wer es sich leisten konnte, mietete einen Fiaker oder hatte sein eigenes Gespann. Es war also höchste Zeit, "Öffis" ins Leben zu rufen.

Da traf es sich gut, dass in Wien die Ringstraße in Planung war, denn mit dem Fall der Stadtmauer konnte der Verkehr erstmals ungehindert vom alten Stadtkern in die umliegenden Vorstädte und Vororte fließen. Noch während der "Ring" in Bau war, bewilligte die Stadt die Errichtung einer Straßenbahn-Probelinie vom Schottentor über die Alser Straße nach Hernals. Das geschah am 21. Oktober 1864, vor 150 Jahren also. Diese erste Wiener "Öffi"-Strecke war 3,5 Kilometer lang und wurde ein Jahr später als "Erste privilegierte Kaiser Franz Joseph-Pferde-Eisenbahn" eröffnet.

Zwei Pferdestärken

Mit der Pferdetramway durch die Stadt
Schaffner beim Markieren der Fahrscheine f?r Fahrg?ste in einem Zug der Type E, April 1965
Da die von jeweils zwei Pferden gezogene Straßenbahn mit ihren Winter- und offenen Sommer-"Imperial"-Wagen sofort gut ausgelastet war, schlossen sich mehrere Firmen zur "Wiener Tramwaygesellschaft" zusammen, um mit der Stadt Wien den Ausbau der Schienenwege zu fördern. Zahlreiche Linien entstanden, die sich quer durch Wien zogen – und deren Streckennetz im Wesentlichen bis heute erhalten geblieben ist.

Bald zeigte sich, dass man die Vorschriften für Fahrgäste ändern musste: Konnten in der Anfangsphase die Pferdewagen von jedem Fahrgast an jeder beliebigen Stelle zum Ein- und Aussteigen gestoppt werden, so gab es ab 1868 gekennzeichnete Haltestellen, wodurch die Fahrzeiten erheblich verkürzt wurden.

Teure Pferde

Der Ausbau der Straßenbahnlinien ging so rasch vor sich, dass 1873, im Jahr der Wiener Weltausstellung, bereits 554 Tramway-Wagen auf 37 Streckenkilometern unterwegs waren, dazu kamen schienenlose Pferde-Omnibusse in der Innenstadt. Nun sollten die infolge ihrer Verpflegung teuren Pferde durch Dampf-Loks ersetzt werden. Doch schon bei einer Probefahrt von der Bellaria nach Mariahilf zeigte sich, dass die mit Kohle betriebene Tramway selbst geringe Steigungen nur mühsam bewältigte. Dampfbetriebene Öffis fuhren daher erst später durch die Vororte, im städtischen Bereich blieb man vorerst bei den guten, alten Rössern, die sich auch nicht dagegen wehren konnten.

Der Kutscher-Streik

Mit der Pferdetramway durch die Stadt
Bergung des GU 230, Nr 8084 von der eingestürzten Reichsbrücke, August 1976
Sehr wohl konnten sich die Mitarbeiter der Tramway wehren, deren Dienstschichten bis zu 19 Stunden dauerten. Nicht genug damit, wurde das ohnehin mäßig bezahlte Personal für alle Schäden an Wagen und Pferden persönlich zur Verantwortung gezogen. Es kam zum "Streik der Kutscher und Conducteure", der im April 1889 das "Ende der Schikanen für die Sklaven der Wiener Tramway-Gesellschaft" zur Folge hatte.

Nun dauerte es nicht mehr lange, bis die Elektrizität ihren Siegeszug hielt und die rund 4.400 im Einsatz befindlichen Pferde von ihrer schweren Last befreite. Am 28. Jänner 1897 bewegte sich Wiens erste "Elektrische" von der Vorgartenstraße über Praterstern und Mariahilfer Straße zur Liniengasse. Die Strecke war 9,7 km lang und wird heute noch unverändert von der Linie 5 befahren. Im Jahr 1903 wurden die privaten Straßenbahnunternehmen von der Gemeinde Wien übernommen.

Plan für eine U-Bahn

Während in London und Paris Ende des 19. Jahrhunderts die ersten "Metros" unterwegs waren, gab es in Wien sogar schon 1844 Pläne für eine U-Bahn, doch vergingen mangels finanzkräftiger Investoren und dann infolge der beiden Weltkriege bis zur Realisierung des Projekts mehr als 130 Jahre: Die U1 wurde als erste Linie 1978 eröffnet.

Wie die beiden Weltkriege für den öffentlichen Verkehr überhaupt katastrophale Auswirkungen hatten. Zwischen 1914 und 1918 mussten ganze Straßenbahnlinien eingestellt werden, und 1945 waren von 135 Bussen nur noch neun einsatzbereit, alle anderen wurden durch Bombardements vernichtet. New York City half nach Auflösung ihrer Tram mit 42 Straßenbahn-Waggons, sogenannten "Amerikanern", aus, die über Rotterdam per Schiff nach Wien gebracht wurden.

Tramway, Stadtbahn, Bus und U-Bahn gelten als die sichersten Verkehrsmittel im städtischen Bereich, es gab in den 150 "Öffi"-Jahren nur wenige schwere Unfälle. Einer jedoch übertraf alles Vorstellbare: Am 2. August 1960 lenkte der Tramwayfahrer Hans T. einen Zug der Linie 39 von Döbling in Richtung Stadt. In der Kurve, in der die Billrothstraße in die Döblinger Hauptstraße mündet, war er statt der hier zugelassenen 12 km/h mit 60 km/h unterwegs. Der rasende Triebwagen stürzte um, prallte gegen einen entgegenkommenden Zug und beide Garnituren entgleisten. 20 Menschen starben durch die Wucht des Aufpralls, 100 wurden verletzt.

Betrunkener Fahrer

Vorerst wurde, da der Unglückswagen Baujahr 1913 war, ein technisches Gebrechen vermutet, die Gerichtsmediziner stellten aber fest, dass Tramwaylenker Hans T. 2,6 Promille Alkohol im Blut hatte. Es gab kein Gerichtsverfahren, da der Fahrer als allein Schuldtragender bei dem Unfall selbst ums Leben gekommen war. Die Katastrophe hatte weitreichende Konsequenzen, da der Wagenpark der Verkehrsbetriebe nun von Grund auf erneuert wurde. Ein Unfall in dieser Dimension sei laut Wiener Linien in unseren Tagen auszuschließen – auch weil im Fahrdienst striktes Alkoholverbot (0,0 Promille) herrsche. Ein Fahrer, bei dem Alkohol festgestellt würde, wird vom Fahrdienst abgezogen, die disziplinären Maßnahmen reichen bis zur Entlassung.

Die "Elektrische" bleibt

Während in den 1950er-Jahren – wie in vielen Metropolen – über das Ende der "Elektrischen" diskutiert wurde, ist dies heute aus Kostengründen, aber auch im Sinne des Umweltschutzes kein Thema mehr. Wien hat mit 177 Kilometern das sechstgrößte Straßenbahn-Netz der Welt, und es wird weiter ausgebaut. Insgesamt werden in der Bundeshauptstadt täglich 2,5 Millionen Fahrgäste mit "Öffis" befördert.

Kommentare