Mindestsicherung: Vorrang für Wiener

Mindestsicherung: Vorrang für Wiener
Sozialstadträtin Sonja Wehsely nimmt ausgerechnet Anleihen bei Wohnbaustadtrat Michael Ludwig.

Es ist eine bemerkenswerte Kehrtwende, die die wichtigste Vertreterin des linken Flügels in der Wiener SPÖ durchführt. Sozialstadträtin Sonja Wehsely verabschiedet sich vom Dogma der bedingungslosen Solidarität für sozial Schwache unabhängig von ihrer Herkunft.

Sollte es zu keiner bundesweiten Einigung in Sachen Bedarfsorientierter Mindestsicherung (BMS) kommen, will Wien mit Jahresbeginn eine Wartefrist für Antragssteller einführen. Das kündigte Sozialstadträtin Sonja Wehsely in Ö1 an. Voraussetzung für den Bezug des Sozialgeldes wäre also eine bestimmte Mindestaufenthaltsdauer des Antragstellers in Wien. Wie lange diese Frist sein wird, werde derzeit noch geprüft, heißt es aus dem Büro der Stadträtin. Die Regelung würde für Asylberechtigte und Einheimische gleichermaßen gelten. Mit der Maßnahme will die Stadt verhindern, dass angesichts der jüngsten Kürzungen bei der BMS in einigen Bundesländern noch mehr Anspruchsberechtigte nach Wien ausweichen und das Sozialbudget weiter belasten.

Enormer Druck

Zur Veranschaulichung: Bereits jetzt leben 56 Prozent aller BMS-Bezieher in Wien. Der stetig wachende Zuzug von Asylberechtigten aus den anderen Bundesländern (siehe Grafik) wird immer mehr zur finanziellen Belastung. So mussten erst vor Kurzem die Mittel für die Mindestsicherung im laufenden Jahr um 130 Millionen Euro aufgestockt werden.

Das Pikante daran: Angesichts dieser prekären Situation greift Wehsely jetzt zu Maßnahmen, die ausgerechnet ihr parteiinterner Gegenspieler vom rechten Flügel seit einem Jahr vorexerziert: 2015 regelte der zuständige Stadtrat Michael Ludwig die Zugangskriterien für Wohnungen neu, die über die Wohnberatung Wien vergeben werden ( Gemeindewohnungen, aber auch geförderte Neubauwohnungen, Anm.). Pro fünf Jahre Hauptwohnsitz in Wien bekommen Interessenten auf der Warteliste einen Bonus von drei Monaten. Sprich: Länger Ortsansässige werden gegenüber Neu-Wienern bei der Vergabe deutlich bevorzugt. Nicht alle in der Wiener SPÖ waren über diese Maßnahme erfreut, wie Ludwig erst vor Kurzem in einem KURIER-Interview einräumte.

Konflikt mit ÖVP

Wehsely selbst sieht ihre neue Wiener-zuerst-Politik freilich vor allem als Reaktion auf die starre Haltung der Bundes-ÖVP im Ringen um eine Vereinheitlichung der Mindestsicherung. "Die ÖVP verschlechtert die Bedingungen der BMS so, dass wir keine andere Wahl haben", heißt es im Büro der Stadträtin. Noch hofft Wehsely aber auf eine Einigung mit der ÖVP bis Jahresende, wenn die jetzt gültigen Bestimmungen auslaufen: "Ich werde bis 31. Dezember des heurigen Jahres alles dazu tun, dass es eine österreichweite Lösung gibt."

Von der Wiener ÖVP mit ihrem restriktiven Kurs in der Asylfrage erntet Wehsely jedenfalls Lob. Für Parteichef Gernot Blümel ist der Vorstoß der Stadträtin "zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung". Gleichzeitig fordert er von Wehsely, ihren Widerstand gegen eine Deckelung der BMS aufzugeben. Die Neos sprechen von einer "legitimen Notwehrmaßnahme". Für FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus kommt hingegen lediglich die Streichung der Mindestsicherung für Nicht-Österreicher infrage.

Kommentare