Martha Bißmann könnte für Wiener Migrantenliste kandidieren

Ihre Kritik am "Pech gehabt. Ali"-Video der FPÖ brachte Bißmann viel Kritik, aber auch Respekt unter Menschen mit Migrationshintergrund ein.
Gründer Hakan Gördü präsentierte die neue Bewegung "SÖZ". Im politischen Spektrum sieht man sich links der Mitte.

Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 tritt definitiv eine Migrantenliste an - und zwar "SÖZ". Deren Inhalte präsentiert der Mitbegründer und potenzielle Spitzenkandidat Hakan Gördü am Mittwochvormittag der Öffentlichkeit. Unter anderen dürfte die Ex-Liste-Pilz- und nunmehrige "wilde" Nationalratsabgeordnete Martha Bißmann eine Rolle in der Bewegung spielen.

SÖZ steht für "Soziales Österreich der Zukunft". Wohl nicht ganz zufällig bedeutet "Söz" auf türkisch zudem "das Versprechen". 

Formiert hat sich die Bewegung zum einen aus der Liste "Gemeinsam für Wien" (GfW), die bereits bei der vorigen Gemeinderatswahl antrat und den Einzug ins Stadtparlament klar verfehlte, und zum anderen aus der "Neuen Bewegung für die Zukunft" (NBZ) - einer Liste, die im Zuge von Arbeiterkammer-Wahlen entstanden war.

Martha Bißmann könnte für Wiener Migrantenliste kandidieren

Hakan Gördü ist Listengründer und potenzieller Spitzenkandidat.

Die Parteifarbe von SÖZ, das sich als "Bewegung für Wien" versteht, ist Violett. Als Minimalziel nennt Gördü "drei Prozent", der Einzug ins Stadtparlament sei jedoch "durchaus realistisch".

Geringere Besteuerung von Gehältern

Politisch sei die Bewegung "links der Mitte" angesiedelt. Eine etwaige Koalition mit der FPÖ sei deshalb unvorstellbar. Inhaltlich trete man unter anderem für eine geringere Besteuerung von Gehältern, für mehr politische Partizipation, den Schutz individueller Daten und Gendergerechtigkeit ein. "Wir sind solidarisch mit dem Frauenvolksbegehren", sagt Gördü. In öffentlichen Ämtern sei eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent wünschenswert.

Prinzipiell wolle man Stimme all jener sein, die sich von etablierten Parteien nicht vertreten fühlen, erklärt Cengizhan Akbudak, Wiener Landesvorsitzender der NBZ und nun Teil von SÖZ.

"Keine Islam-Partei"

"Ich bin links-liberal", erklärt Gördü - der einer breiteren Öffentlichkeit als stellvertretender Chef der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) bekannt wurde. Diese gilt als der Auslandsarm der Erdogan-AKP.

Mit der türkischen Politik wolle er aber nichts mehr zu tun haben, beteuert der Listengründer. "Das hat keinen Platz in Österreich", betont er. Als Wiener Bewegung dürfe man sich nicht an ausländischer Politik orientieren. "Wir wollen 100-prozentig österreichisch sein."

Das Wort "Migrantenliste" kann Gördü nicht mehr hören. Er wisse nicht, wie die Medien darauf gekommen seien. "Wir sind keine Migranten. Ich bin keiner, ich wurde hier geboren und auch mein Großvater war bereits in Österreich." Gördü schwebt eine "breite Liste" vor, die sich gegen jede Diskriminierung von Minderheiten stelle. "Nur, weil ich Hakan heiße, sind wir keine Islam-Partei", erklärte er in einem früheren Interview.

Nationalratswahl nicht ausgeschlossen

Vom Umstand, dass GfW den Einzug in den Gemeinderat nicht schaffte, will man sich nicht entmutigen lassen. Diesmal habe man sich im Gegensatz zum vorigen Urnengang nicht erst zwei Monate vor der Wahl formiert. Zudem habe man wegen des Anspruchs auf Parteienförderung mehr finanzielle Mittel als damals zur Verfügung. Dazu kämen mehr Erfahrung und mehr Reichweite - nicht zuletzt auf sozialen Medien.

Ob man im September bei der vorgezogenen Nationalratswahl antrete, sei zwar noch nicht entschieden, sagt Gördü. Es sei aber nicht ausgeschlossen.

Martha Bißmann & Turgay Taskiran

Bei der Realisierung der Ziele könnte auch die nunmehrige wilde Nationalratsabgeordnete Martha Bißmann helfen - "das wünschen wir uns", betont Gördü.

Es wäre eine nachvollziehbare politische Entscheidung. Zum einen genießt Bißmann aufgrund ihrer solidarischen Haltung in Folge des "Pech gehabt, Ali"-Videos (mit dem die FPÖ Migranten die betrügerische Verwendung der eCard unterstellt hatte) und ob ihrer Kritik am türkis-blauen Kopftuch-Verbot in Volksschulen insbesondere in der muslimischen Gemeinde großen Respekt. Und zum anderen dürfte sie als parteiunabhängige Mandatarin nach der Nationalratswahl den Wiedereinzug ins Parlament kaum schaffen.

Fix ist, dass Turgay Taskiran Teil der neuen Bewegung sein wird. Der türkischstämmige Arzt aus Simmering hatte vor der vorigen Gemeinderatswahl die Liste "Gemeinsam für Wien" gegründet.

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