Ludwig: Wien bleibt bei "zuerst die Wiener"

Immer mehr Flüchtlinge zieht es nach Wien: Für Wohnbaupolitiker Ludwig die große Herausforderung.
SPÖ-Stadtrat Ludwig hält bei der Vergabepraxis im geförderten Wohnbau an seinem Kurs fest.

Hunderttausende Wiener leben in einem geförderten Wohnbau oder in einer Gemeindewohnung, eine Spitzenstellung in Europa. Nach dem Flüchtlingsstrom im Vorjahr wächst aber der Druck auf den Wohnungsmarkt. SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ist deshalb mit seiner Politik verstärkt ins Blickfeld gerückt, auch weil er damit innerhalb der Wiener SPÖ angeeckt hat. Der KURIER sprach mit ihm darüber bei einer Tagung der Internationalen Bauausstellung in Venedig.

KURIER: Sie sind prominenter SPÖ-Vertreter der Wiener Flächenbezirke. In der Öffentlichkeit wurden Sie wegen Ihrer Politik in die rechte Schublade gestellt. Wie sehen Sie sich?

Michael Ludwig: Diese Schubladisierung halte ich für völlig unzutreffend. Gerade im Bereich Antifaschismus habe ich in den letzten Jahrzehnten viele Akzente gesetzt. Natürlich gibt es Themen, wo man sich in der Partei unterscheidet.

Wo würden Sie sich einordnen?

Ich sehe mich dort, wo es darum geht, die Interessen der Menschen in der Stadt positiv zu beeinflussen. Da sehe ich große Herausforderung und versuche hier Lösungen anzubieten, die in der Situation manchmal nicht so populär sein mögen. Aber da sehe ich eine Verantwortung für die Zukunft.

Für Zündstoff sorgte die Vergabepraxis im geförderten Wohnbau. Wer länger in Wien lebt, der wird bevorzugt, das heißt die neuen Zuwanderer nicht. Haben Sie das aus einer Notwendigkeit oder aus tiefster Überzeugung gemacht?

Beides. In den sensiblen Bereichen wie Arbeitswelt, Sozialpolitik und Wohnungsmarkt gibt es in der Stadt eine hohe Erwartungshaltung an die Politik.

Wie war zu dieser Neuregelung die Zustimmung in Ihrer Partei?

Unterschiedlich. Ich halte es trotzdem für wichtig, dass man über die nächste Legislaturperiode hinaus denkt und sicherstellt, dass jene Menschen, die länger in der Stadt leben nicht ständig unter eine neue Konkurrenzsituation geraten und daher jetzt bevorzugt behandelt werden.

Anerkannte Flüchtlinge zieht es nach Wien, der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt. Werden Sie bei den Vergabekriterien weiter an der Schraube drehen?

Nein. Die Vergabepraxis im geförderten Wohnungsmarkt ist jetzt der Realität angepasst. Das heißt: All jene Menschen, die neu in die Stadt kommen, müssen sich hinten anstellen.

Wie sind die Auswirkungen nach dem ersten Jahr?

Die Evaluierung hat gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Interessenten vom neuen Wien-Bonus profitieren und somit rascher zu einer geförderten oder Gemeindewohnung kommen.

Sie haben gesagt, dass Politik für Sie auch Ordnung ist.

Das ist im Zusammenleben wichtig, weil das Orientierungshilfe schafft. Sowohl für die Menschen in der Stadt, als auch für jene, die neu dazu kommen.

Das Wohnungsressort ist für die SPÖ ein zentraler Bestandteil der Stadtpolitik. Warum ist das Ihrer Partei so wichtig?

Wien steht im internationalen Vergleich völlig anders da. Wir haben in Wien einen ausgeprägten Mietmarkt. 62 Prozent aller Wienerinnen und Wiener wohnen außerdem in einer geförderten Wohnung. Dazu kommen Tausende Wohnungen, die mit Förderungen saniert worden sind. Das zeigt sich auch hier bei der Internationalen Bauausstellung und der Biennale in Venedig, wo wir internationales Lob erfahren haben.

Ohne SPÖ läuft das anders?

Davon bin ich überzeugt. In anderen Ländern sind neoliberale Parteien den anderen Weg gegangen. Die Sozialdemokratie ist immer auf der Seite der Mieterinnen und Mieter gestanden.

Zurück zu den Flüchtlingen. Sie drängen jetzt auf den privaten Wohnungsmarkt. Da werden die Mieten weiter steigen?

Nicht im geförderten Bereich, da sind die Mieten in den letzten zehn Jahren entlang der Inflationsrate gestiegen, im Gemeindebau sogar darunter. Die Schlagzeile, dass die Mieten in Wien teurer werden, ist nur bei den Neuvermietungen im privaten Wohnbereich gerechtfertigt. Das sind etwa 28.000 pro Jahr, da gibt es tatsächlich eine sehr dynamische Entwicklung der Mietpreise.

Damit die Sozialausgaben in Wien nicht explodieren, verlangt Ihre Kollegin Sonja Wehsely eine Wohnsitzpflicht. Sprich anerkannte Flüchtlinge sollen in den Bundesländern bleiben, wo sie betreut wurden.

Ich unterstütze jede Maßnahme, die den Wohnungsmarkt in Wien entlastet. Es gibt schon jetzt eine große Schere zwischen Einkommen und Miethöhe am privaten Wohnungsmarkt. Und wenn immer mehr Menschen von der Mindestsicherung leben, wird die Schere weiter auseinander gehen.

Wo muss man noch ansetzen?

Neben der Wohnsitzpflicht bin ich für eine bundesweit einheitliche Regelung bei der Mindestsicherung, um die Dynamik in Richtung der großen Städte zu bremsen.

Die ÖVP will hier 1500 Euro als Obergrenze.

Ich will mich auf keine Summe festlegen. Aber es muss zwischen der Höhe der Mindestsicherung und der Mindesteinkommen eine spürbare Differenz geben.

Macht für Sie Rot-Schwarz auf Bundesebene auf Dauer einen Sinn, wenn beim Mietrecht nichts weiter geht?

Dieses Thema ist nicht untypisch für die unterschiedlichen Positionen beider Parteien, weil man unterschiedliche Zielgruppen bedienen muss. Trotzdem glaube ich, dass es mit gutem Willen möglich ist, einen Kompromiss zu finden.

Brennt nicht der Hut?

Die Verhandler sind sich näher, als man dies in der Öffentlichkeit glaubt.

Wien engagiert sich jetzt bei der Internationalen Bauausstellung. Was bringt das?

Das ist eine Möglichkeit den geförderten Wohnbau zu präsentieren und auch die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Dazu zählt die Zuwanderung, aber auch wie wir die Wohnungen altersgerecht ausstatten und das Zusammenleben noch besser organisieren. Die IBA wird in den nächsten Monaten flächendeckend spürbar sein.

Die Stadt Wien veranstaltet erstmals eine Internationale Bauausstellung (IBA), in deren Rahmen der soziale Wohnbau weiterentwickelt werden soll. Die IBA Wien ist ein mehrjähriger Prozess bis zum Jahr 2022. Im Zentrum stehen die Entwicklung neuer Stadtteile, wie die Seestadt Aspern, aber auch der Umbau und die Sanierung bereits bestehender Gebiete. Hier stehen etwa das alte und neue Sonnwendviertel oder auch die Per-Albin-Hansson-Siedlung im Mittelpunkt. Bei dem Prozess soll die dort lebende Bevölkerung stark einbezogen werden.

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