"Liebe wie jede andere auch"

Politiker Rumelhart (li.), hier mit Partner und Life-Ball-Outfit von „gabarage“, wünscht sich nicht Toleranz sondern Respekt
In der "Regenbogenhauptstadt" lebt eine offene Gesellschaft, Conchita gibt ihr ein Gesicht.

Kaum drei Tage waren die Lichtanlagen mit schwulen und lesbischen Ampel-Pärchen in Wien in Betrieb, da schritt der erste "Scherzbold" zur Tat: Nahe der Stadthalle wurde eine Ampel mit einem "Dynamo Zagreb"-Aufkleber überklebt. Bei der MA 33 sieht Sprecherin Sonja Vicht den Vorfall gelassen, er sei der bislang Einzige.

Mit ihrer Einschätzung liegt Vicht wohl richtig. Wien gilt bis weit über die Landesgrenzen hinaus als "Regenbogenhauptstadt", liegt im europäischen Spitzenfeld was gleichgeschlechtliche Lebensentwürfe betrifft. "Vielfalt ist in Wien kein Lippenbekenntnis", sagt Wolfgang Wilhelm, Leiter der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen.

"Solche Geschichten wie die Ampel-Aktion sind entzückend", freut sich Christian Högl, Obmann der Homosexuellen Initiative Wien. Die Gesellschaft, heißt es aus der Community, sei in Sachen Akzeptanz weiter als die Politik. So haben etwa 78 Prozent der Österreicher kein Problem damit, wenn sich jemand aus der eigenen Familie zur Homosexualität bekennt, wie eine Studie des Mauthausen Komitees ergeben hat. Händchenhalten ist in Wien problemlos möglich. Allerdings verzeichnen manche Aktivisten vermehrt verbale Attacken. Das liege aber daran, dass Homosexualität heute mehr sichtbar ist.

Offene Gesellschaft

Einig sind sich Community und Experten jedenfalls, dass der Song-Contest-Sieg von Conchita Wurst die Akzeptanz von Homosexuellen noch einmal erhöht hat. "Sie zeigt, es ist Liebe wie jede andere", meint Antidiskriminierungs-Experte Wilhelm. Und HOSI-Obmann Högl ergänzt: "Conchita hat unserem Anliegen ein Gesicht gegeben, sie ist aber auch das Resultat einer offenen Gesellschaft."

Mit der offenen Gesellschaft punktet Wien auch im Ausland. Seit knapp 20 Jahren wirbt Wien Tourismus um homosexuelle Gäste. Vor allem das Kulturangebot lockt. Und jetzt natürlich Conchita. "Die erste Reservierung haben wir schon in der Nacht ihres Sieges gehabt", lacht Peter Wild, der mit seiner "Hotel-Pension Wild" explizit auch homosexuelle Gäste ansprechen will. Nun sei man nahezu ausgebucht. "Wichtig ist es, zu zeigen, dass es Homosexualität gibt und sie normal ist", sagt er. Gäste werden von der Stadt Wien zudem zwischen dem Life Ball am 16. Mai und dem Song-Contest-Finale am 23. Mai mit zahlreichen Events umworben. Bei der Reihe "Queere Stadtgespräche" stehen etwa Diskussionen auf dem Programm, aber auch Rathausführungen andersrum oder Regenbogen-Stadtführungen.

Es geht um Respekt

Bei all der Euphorie sieht Markus Rumelhart, SPÖ-Bezirksvorsteher des 6. Bezirks und selbst homosexuell, das Thema differenzierter. "Ich bin kein Freund von Toleranz, die geht am Thema vorbei. Es geht um Respekt", sagt er. Da gebe es noch viel zu tun. Doch auch er meint: In Wien ist ein sehr gutes Leben möglich.

Das restliche Österreich hinkt dabei wohl hinterher, wie eine Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zeigt: 48 Prozent aller Homosexuellen und Transgender-Personen in Österreich seien im vergangenen Jahr diskriminiert worden. Rund ein Viertel soll in den vergangenen fünf Jahren verbal oder körperlich angegriffen worden sein.

Und während die Weltpresse Wiens Ampel-Pärchen feiert, haben auch nicht alle Parteien das Konzept "Akzeptanz" verstanden. Der Obmann des Freiheitlichen Familienverbandes Wien, Dominik Nepp, befürchtet, dass sich Kinder "von diesen Pärchen irritieren lassen" und deshalb "unter die Räder kommen".

Schanigärten vor der Stadthalle müssen "aus Sicherheitsgründen" abgebaut werden

"Liebe wie jede andere auch"
Mario Bachinger, Eiskugel, Eissalon, Georg Hanschitz, Peter Estfellner; Eissalon Eiskugel
Lange ist der Schanigarten von Mario Bachingers Eissalon „Eiskugel“ vor dem Märzpark und der Stadthalle im 15. Bezirk nicht gestanden.
Bachinger hat das Geschäft erst vor Kurzem übernommen, nur ein paar Tage später seien bereits drei Herren von der Magistratsabteilung (MA) 46 da gewesen. „Die haben mir mitgeteilt, dass ich meinen Schanigarten von 18. bis 23. Mai abbauen muss.“ Wenig später sei ihm dann auch ein entsprechender Bescheid der MA 46 zugestellt worden.

Diese begründet den temporären Entzug der Genehmigung mit „sicherheitstechnichen Gründen“. „Vor dem Märzpark treffen die Fußgängerströme, die die Stadthalle verlassen und die, die auf dem Weg dorthin sind, aufeinander“, sagt Elvira Franta vom Song-Contest-Organisationskomitee der Stadt Wien.
Eissalon-Besitzer Mario Bachinger kann das nicht so ganz nachvollziehen. „Bei allen anderen großen Konzerten in der Stadthalle sind genauso viele Leute und da , aber niemand muss den Gastgarten abbauen.“ Doch laut Franta sind dort in der Song-Contest-Woche doppelt so viele Fußgänger unterwegs wie sonst.

Bachinger verliert jedenfalls 60 Sitzplätze in der Song-Contest-Woche. Der Besitzerin des Pubs nebenan geht es genauso. Am härtesten trifft es das Café Andys & Mikes an der Ecke. Der Schanigarten für 100 Gäste muss von einer Firma extra abgebaut und in einer Woche neu aufgebaut werden. Kosten laut Betreiber: 2400 Euro.
Rückendeckung bekommen die Wirte vor der Stadthalle jetzt von der ÖVP. Es sei „skandalös“, dass die Gastgärten entfernt werden müssen, sagt Peter Estfellner von der ÖVP Fünfhaus. Bezirksparteiobmann Georg Hanschitz fordert die Aufhebung der Bescheide. Doch das ist laut der Stadt Wien ausgeschlossen.

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