Können neun Schüsse Notwehr sein?

Können neun Schüsse Notwehr sein?
Eine Frau stach mit großen Messern auf Polizisten ein. Ein Beamter schoss neun Mal auf die Tobende. "Notwehr", sagt seine Anwältin.

Mordversuch und Notwehrüberschreitung. Diese  Anklagepunkte standen Dienstagvormittag beim  gerichtlichen  Lokalaugenschein in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus im Raum. Dabei sollte geklärt werden, was genau am 7. März in der Goldschlagstraße 29 passiert ist.
 Wie berichtet, war die Polizei in den Morgenstunden dorthin  beordert worden. Eine 37-jährige Bewohnerin glaubte, dass es in ihrer Wohnung brennt. Die   Feuerwehr war bereits in der Wohnung, konnte aber keinen Brand lokalisieren.

Fünf Polizisten betraten die kleine Küche. Darin befand sich  auch eine Dusche mit zugezogenem Plastikvorhang. Als die Beamten in der engen Küche standen, stürzte die Bewohnerin mit zwei Küchenmessern bewaffnet (30 Zentimeter lange Klingen)  durch den zugezogenen Duschvorhang auf die Polizisten los. Sie stach von oben auf den ersten  Polizisten ein. Der stürzte.

Sein Kollege zog die Dienstwaffe und schoss der Tobenden ins Bein. Doch die Angreiferin  (sie leidet mutmaßlich an einer  Angstpsychose)  attackierte  den zweiten Polizisten. Der schoss noch einmal – und traf wieder. Mit nur mehr einem Messer bewaffnet griff die Frau  die nächsten Beamten an. Insgesamt wurde die 37-Jährige von neun Projektilen getroffen, erst dann brach sie im Wohnzimmer  zusammen.

"Alles richtig gemacht"

Der  Lokalaugenschein sollte klären, ob der Beamte (34) – er ist seit etwa zwei Wochen wieder im Dienst – der Situation entsprechend gehandelt hat. Seine Anwältin Astrid Wagner hat nicht den geringsten Zweifel: „Er weiß, dass er alles richtig gemacht hat. Auch wenn es ihm nicht gut geht. Er erkundigt sich beinahe täglich nach dem Gesundheitszustand der angeschossenen Frau. Wir gehen von Notwehr aus.“

 Teilen die Sachverständigen, darunter auch der Ballistikexperte Ingo Wieser, diese Einschätzung nicht, muss der Polizist mit einer Anklage wegen Notwehrüberschreitung bzw. fahrlässiger Körperverletzung rechnen. Für den Sprecher der Staatsanwaltschaft Thomas Vecsey ist „noch alles offen“. Gleiches gilt für die eventuelle Anklage wegen Mordversuchs gegen die lebensgefährlich verletzte Frau. Auch hier sind psychiatrische Sachverständige am Wort. Ergebnisse werden  frühestens in einem Monat  erwartet.

Die Familie der Frau möchte sich nicht zum Gesundheitszustand äußern, bangt aber weiterhin um ihr Leben. Denn sie liegt noch immer auf der Intensivstation und wartet  auf weitere    Operationen. Der Polizist  unterzieht sich seit  14 Tagen  einer Gesprächstherapie.

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