Kaputte Schraube bringt Zettel-Poeten wieder vor den Richter

Gedichte zum Pflücken, Helmut Seethaler, Wien
4000-mal wurde Helmut Seethaler schon angezeigt. Doch er klebt munter weiter.

Helmut Seethaler kennt seine Grenzen. Der Zettel-Dichter weiß, wo er seine Werke anbringen darf – und wie. „Wichtig ist, dass nichts beschädigt wird“, erklärt er und pickt seine Gedichte diesmal über die Plakate einer großen Modekette auf dem Westbahnhof. „Schauen S’, das geht ohne Probleme runter“, demonstriert er.

Doch schon marschiert ein junger Mann von der Putzkolonne an: „Du bist zu früh“, sagt er, zeigt auf seine Uhr und beginnt, einige Gedichte zu entfernen. Der Uhrzeiger springt weiter. Man einigt sich – auf die Minute genau muss es dann auch wieder nicht sein. Doch die Uhr spielt für Seethalers Gedichte eine große Rolle. Auf dem Westbahnhof dürfen seine Zettel von 15 bis 1 Uhr Früh hängen. Dann werden sie abgenommen.

Kaputte Schraube bringt Zettel-Poeten wieder vor den Richter
Gedichte zum Pflücken, Helmut Seethaler, Wien

Seit 1974 gibt es seine Gedichte zum Pflücken. 4000 Anzeigen hat er sich seither eingehandelt. Gerade jetzt ist wieder ein Behördenschreiben gekommen – Seethaler soll 70 Euro zahlen. „Wegen absichtlicher schwerer Sachbeschädigung“, ärgert sich der Dichter. „Jetzt fängt diese Straferei wieder an.“ Er hat bereits Einspruch eingelegt. „Bisher habe ich meistens gewonnen.“ Doch im Mai muss er wieder vor den Richter. „Weil ich eine Schraube verbogen haben soll“, schüttelt er den Kopf.

Fans

Seethaler hat eine treue Fangemeinde. Viele Anhänger begleiten ihn seit seinen Anfängen, sammeln seine Gedichte und stecken ihm hin und wieder ein paar Euro zu. „Davon lebe ich“, gibt Seethaler zu. Seine Kunst ist brotlos. Aber Luxus braucht der 60-Jährige nicht. Ganz im Gegenteil, er wettert in seinen Gedichten gegen die Konsumgesellschaft.

Kaputte Schraube bringt Zettel-Poeten wieder vor den Richter
Gedichte zum Pflücken, Helmut Seethaler, Wien, Emira Ghanem

Seine drei Töchter, die sind da ganz anders, erzählt Seethaler. „Die leben ganz angepasst. Ihr Vater rebelliert ja schon genug.“

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Website von Helmut Seethaler

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