Justiz übersah Blinddarmdurchbruch

Justiz übersah Blinddarmdurchbruch
Die Schmerzen eines Gefangenen wurden heruntergespielt, bis es fast zu spät war. Der Republik droht jetzt eine Klage.

Wochenlang klagte der Häftling Veyis Er über Schmerzen im Unterleib. Er konnte sein rechtes Bein schon nicht mehr abbiegen. Seine Frau und seine Tochter waren bei Besuchen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt entsetzt über den zunehmenden Verfall des 51-Jährigen und versuchten, bei Vertretern der Justiz Gehör zu finden. „Aber keiner hat zugehört“, erzählt Frau Er dem KURIER: „Eine Anwältin sagte, sie ist ja nicht seine Ärztin.“

Eigene Diagnose

Im Gefängnis hieß es angeblich, er solle nicht simulieren. „Ich halte das nicht mehr aus“, sagte der Gefangene auf der Krankenabteilung und mutmaßte selbst, er habe es entweder an den Bandscheiben oder es sei der Blinddarm.

Die Ärzte verschrieben Mexalen Schmerztabletten und verabreichten Spritzen gegen Kreuzweh. „Auf einmal hab’ ich gespürt, da ist was geplatzt und Flüssigkeit kommt raus“, erinnert sich Veyis Er, der wegen Spielautomaten-Betruges einsaß. Eiligst wurde er am 13. September ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder transferiert (es gibt dort für die Justiz eine geschlossene Abteilung), wo man einen Blinddarmdurchbruch attestierte. Es soll sich im Bauchraum bereits ein Abszess gebildet haben, aufgeplatzt sein und eine Blutvergiftung herbeigeführt haben. Notoperation, 40 cm lange Narbe, künstlicher Tiefschlaf, sechs Wochen Intensivstation, Nierenversagen, Wasser in der Lunge, künstliche Ernährung, zwei Nach-Operationen.

Am Tag nach dem ersten Eingriff wollte Frau Er ihren Mann sehen. Mit der Begründung, es sei gerade keine Besuchszeit, wollte man sie abweisen. Doch die Frau kämpfte sich durch. Es hätte nicht viel gefehlt, soll ihr ein Arzt über den lebensgefährlichen Zustand ihres Mannes gesagt haben. Und dass das Krankenhaus eine Anzeige gegen die Justizanstalt erstattet habe. Notdürftigst wiederhergestellt kam Veyis Er dann zurück ins Gefängnis, genau am Tag vor Weihnachten (Zufall oder schlechtes Gewissen?) wurde er entlassen.

Ignoriert

Justiz übersah Blinddarmdurchbruch

Über ihren Anwalt Gerold Beneder fordert die Familie Er von der Republik 70.000 Euro Schmerzensgeld: Die Symptome seien in der Justizanstalt trotz Urgenzen der Familie ignoriert worden. Eine Blutabnahme hätte die erhöhten Entzündungswerte gezeigt, heißt es. Sollte keine Zahlung erfolgen, wird geklagt. Die Vollzugsdirektion spricht in einer ersten Stellungnahme nur von einem „perforierten Blinddarm“ und nachträglichen Schwierigkeiten mit den Operationswunden.

 

 

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