Interview mit Ute Bock: Asylwerber im Pelz
Österreichs bekannteste Flüchtlingshelferin bezieht ab Mai mit 70 Flüchtlingen eine neue Bleibe in der Zohmanngasse. Die FPÖ kampagnisiert seit Wochen dagegen. Im Interview will Bock die Anrainer beruhigen.
KURIER: Frau Bock, einige Menschen fürchten, dass in der Zohmangasse bald das Chaos ausbricht. Was sagen Sie diesen Leuten?
Ute Bock: Dass alles gut gehen wird, so wie es bis jetzt gut gegangen ist. Wenn es Probleme oder Fragen gibt: Meine Türen stehen offen.
Die Sorge: Mit der Bock kehren Lärm, Dreck und Drogen nach Favoriten zurück. Waren die 90er so schlimm?
Nein. Natürlich hab ich auch Dealer gehabt. Aber diese Leute hab ich stets angezeigt. Ich hatte immer ein sehr korrektes Verhältnis zur Polizei. Aber wenn Menschen heute einen Schwarzen auf der Straße sehen, sehen sie automatisch einen Dealer. Das ist wahnsinnig. Viele glauben auch, dass Tschetschenen hier für Mord und Totschlag sorgen werden. Das sind natürlich völlig überzogene Ängste.
Die FPÖ zeichnet das Bild von Asylanten, die in Designerklamotten stecken.
Die Sachen, die diese Flüchtlinge tragen, stammen meist von Spendern. Schließlich dürfen Asylwerber nicht arbeiten. Aus einer Verlassenschaft hab ich einmal 23 Pelzmäntel bekommen. Jetzt brauch ich ihnen nicht erklären, was in den Köpfen mancher Leute vorgeht, wenn sie das sehen. Absurd ist es auch, zu behaupten, dass ich mir hier eine goldene Nase verdienen würde.
Sind Sie reich, Frau Bock?
(lacht) Steinreich. Ich hab eine kleine Pension von der Stadt, von der am Monatsende nicht viel übrig ist.
70 Asylwerber werden in Favoriten wohnen. Sind das nicht zu viele an einem Ort?
Nein. Andere Häuser in Wien beherbergen bis zu 230 Menschen. Und ich habe ein Team von zwölf Mitarbeitern, das mich unterstützt.
Erfahren Sie heute mehr Unterstützung oder mehr Kritik als noch vor zehn Jahren?
Sowohl als auch. Viele Menschen wollen helfen. Gleichzeitig wird die Kritik mehr und lauter. Der Strache (Heinz-Christian, FPÖ-Chef) hat schon vor Jahren geschrieben: Sein Wahlziel sei, die Beseitigung des Hundekots und der Ute Bock. Beides ist ihm nicht gelungen.
Sie werden heuer 70. Woher nehmen Sie die Motivation, so viel zu arbeiten?
Ich würde gerne noch etwas verändern. Es gab Zeiten, da waren Österreicher zu Recht stolz, Flüchtlingen zu helfen. Viele dieser Leute sind heute gut integriert und zahlen Steuern. Heute ist es so: Der Strache sagt was, es folgt atemlose Stille doch schließlich hecheln alle Politiker hinten nach.
Sind Sie zuversichtlich, dass Sie Ihr Ziel erreichen?
Ich bemühe mich.
Bock zieht um: Ein Projekt sorgt für Aufregung
In der Zohmanngasse 28 wird ab Mai ein neues Haus für Asylwerber eröffnet. Das neue Haus wurde von Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner über dessen Stiftung erworben und saniert. An die 70 Einheiten für Asylwerber bzw. für Flüchtlinge (Menschen, die bereits Asyl erhalten haben) wird es geben. Letztere würden sonst oft in der Obdachlosigkeit enden, betonte Ute Bock. Das Gebäude ist quasi historischer Boden, jedenfalls für Bock: Das Haus in der Zohmanngasse war einst ein Lehrlingsheim, in dem sie viele Jahre tätig war. Später betreute sie dort Flüchtlinge. 1999 war die Unterkunft einer der Schauplätze der landesweit durchgeführten „Operation Spring“. Die umstrittene Polizeiaktion sollte den organisierten Drogenhandel bekämpfen. Auch das Heim in der Zohmanngasse wurde gestürmt.
Kommentare