Immer mehr Angriffe gegen Polizisten

Immer mehr Angriffe gegen Polizisten
Acht verletzte Beamte binnen vier Tagen / Ministerium sucht nach neuen Strategien.

Acht verletzte Polizisten in Wien in nur vier Tagen. Am Pfingstwochenende erreichten die zuletzt vermehrten Angriffe gegen Uniformierte einen neuen Höhepunkt. Immer häufiger gehen Verdächtige bei Amtshandlungen auf die Exekutive los. Sogar ein Kampfhund wurde bei einer Massenschlägerei auf die Einsatzkräfte gehetzt. Die erlittenen Verletzungen sind in der Regel leichterer Natur, die Tendenz der Übergriffe zeigt aber spürbar nach oben und beschäftigt die Strategen im Innenministerium.

"Die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit hat die Thematik auf dem Radar. Wir beobachten die Entwicklung bundesweit, denn auch in Linz oder Graz steigen die Attacken gegen Beamte", bestätigt Alexander Marakovits, Sprecher des Innenministeriums die Entwicklung.

Bodycams im Einsatz

Ein Ansatz für Gegenmaßnahmen sind die im Probebetrieb (Wien, Salzburg, Graz) befindlichen Bodycams. Dabei sind Polizisten mit an der Uniform befestigten Videokameras ausgerüstet. Die Amtshandlung wird mitgefilmt. Vorher muss der Beamte den Verdächtigen aber darüber informieren. Das aufgezeichnete Filmmaterial kann nach Angriffen vor Gericht als Beweis vorgelegt werden.

"Wir hoffen, dass diese Beweissicherung gewaltbereite Täter von Attacken gegen Polizisten abhält", setzt Manfred Reinthaler, Sprecher der Wiener Polizei auf die neue Technik. Doch nur mit Videoaufzeichnungen werden Verdächtige – oft mit Migrationshintergrund und ohne Perspektive (siehe Interview rechts) – kaum von Angriffen gegen Uniformierte abzuhalten sein.

Training wird adaptiert

So werden die vorgeschriebenen Einsatztrainings für Polizisten adaptiert. Jeder Beamte muss diese realitätsnahen Übungen vier Mal pro Jahr absolvieren. Reinthaler gibt ein Beispiel zur aktuellen Gewalt-Situation: "Galt es früher, die Amtshandlung etwa eine Armlänge vom Verdächtigen durchzuführen, ist die Entfernung jetzt größer. Eigensicherung war immer ein Thema, die aktuelle Lage verlangt aber nach Anpassungen. Denn dass die Attacken gegen Beamte gestiegen sind, ist evident."

In Zukunft müssen auch die Sondereinheiten Wega und Cobra mit mehr Einsätzen rechnen: In der Analyse des Innenministeriums stellen Gruppenbildungen nordafrikanischer Straßendealer eine neues Bedrohungsszenario dar. Und zwar nicht nur für Polizisten, sondern in verstärktem Maß auch für unbeteiligte Passanten.

In der Gruppe fühlen sich die vermehrt gewaltbereiten Dealer stark. Daher sind gut ausgerüstete und ausgebildete Spezialeinheiten an den Wiener Hotspots wie dem Praterstern und der "Drogen-Meile" entlang der U6 ein weiterer Sicherheits-Ansatz.

In der Einsatztaktik spielen auch Diensthunde eine Rolle. So patrouillieren Fahrzeuge mit Hunden durch Wien. Ob diese Einheiten bei Übergriffen immer rechtzeitig vor Ort sind, ist wegen anderer Einsätze und dem Stadtverkehr aber nicht sicher.

Migrationshintergrund

Hermann Wally, Vorsitzender der FSG-Polizeigewerkschaft sieht die Aggressivität gegen Polizisten vorwiegend im Migrationshintergrund vieler Verdächtiger und der Grenzöffnung: "Viele Täter kannten in ihrer Heimat seit der Kindheit nur Gewalt. Sei es in der Familie oder durch Exekutive und Militär. Wir wissen auch, dass sich viele Verdächtige vor einer Abschiebung fürchten. Daher der Fluchtversuch und das hohe Gewaltpotenzial bei Anhaltungen."

Nachgefragt

Psychologe Cornel Binder-Krieglstein über die wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten.

KURIER: An „Hotspots“ wie dem Wiener Gürtel kommt es in letzter Zeit vermehrt zu Konflikten mit Asylwerbern, bei denen Polizisten verletzt werden. Wie erklären Sie sich das?
Binder-Krieglstein:Bei Migranten ist die Hemmschwelle niedriger, weil sie in einer prekäreren Situation sind. Für sie steht viel auf dem Spiel; das macht einen gewaltbereiter.
Erfahren Uniformierte generell weniger Respekt als noch vor einigen Jahren?
Das denke ich nicht. Man muss aber erkennen, dass die Menschen, mit denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt, oft aus Kriegsgebieten stammen. Sie haben ein anderes Verständnis für Gewalt, weil sie diese viel intensiver erlebt haben.

Würden Schulungen helfen,Polizisten besser auf diese Situation vorzubereiten?
Die Beamten sind in Österreich grundsätzlich gut ausgebildet und werden auch auf Situationen mit Migranten vorbereitet. Es wäre aber sicher förderlich, das noch zu verstärken.

Wo würden Sie ansetzen, um das Problem einzudämmen?
Es würde sich begünstigend auswirken, mehr Polizisten mit Migrationshintergrund einzusetzen. Gerade an Hotspots wie dem Praterstern oder am Gürtel. Das überwindet nicht nur die Sprachbarriere; es erleichtert auch, den kulturellen Hintergrund besser zu verstehen.

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