Im Gebet von Marterl erschlagen

Im Gebet von Marterl erschlagen
Ein Kirchenbesucher wurde von einer Bildsäule erdrückt. Pfarrer und Pfarrgemeinderat stehen deshalb vor Gericht.

Ausgerechnet im stillen Gebet vor einem Marterl neben einer Kirche, in der gerade die Messe gelesen wurde, schlug für Günther L. das letzte Stündlein. Die Bildsäule Nummer Zwei im Kreuzgang der Pfarre Weinhaus in Wien-Währing stürzte um und erschlug den 45-Jährigen.

Büßen sollen dafür der Pfarrer und der gesamte Pfarrgemeinderat. Im Bezirksgericht Döbling sind die elf Personen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Man wirft ihnen vor, keine Absicherungsmaßnahmen getroffen zu haben, obwohl das Marterl als einsturzgefährdet gegolten habe. „Sie saßen optisch an der Quelle, das Pfarramt liegt gleich daneben. Ist Ihnen nie aufgefallen, dass das Marterl umkippen könnte?“, wollte der Richter vom Pfarrer wissen.

„Das hat in keiner Weise beängstigend ausgeschaut“, lautete die Antwort. Und: „Von akuten Gefahren der Bildblöcke war nie die Rede.“ In den Sitzungen des Pfarrgemeinderats habe man nur besprochen, dass die (inzwischen gesperrten) Kreuzgangwege restauriert werden müssten. Wer da hätte aktiv werden müssen, darüber wurde laut Richter „Ping-Pong“ gespielt.

Wende

In der Verhandlung am Mittwoch gab es eine überraschende Wende: Ein als Zeuge befragter Polizeijurist, der nach dem Unglück am 6. September 2009 die Erhebungen geleitet hatte, ließ mit Hinweisen auf einen möglichen Selbstmord des 45-Jährigen aufhorchen.

Bei dem Mann waren Rezepte für Psychopharmaka gefunden worden, er hatte seinen geparkten Wagen nicht abgesperrt, und er war trotz niedriger Temperatur am Tag des Unglücks nur mit einem T-Shirt bekleidet.

Stärkstes Indiz: Günther L. hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen. „Liebe Mutter Maria, ich komme zu dir.“ Der Zeuge berichtete auch, dass der Mann Kratzer an den Händen hatte und massiv an dem Marterl gezerrt haben müsse. Damit wären die elf Beschuldigten (Verteidigung Herbert Eichenseder, Peter Philipp) aus dem Schneider. Es wurde vorerst vertagt.

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