Häftling fordert vom Staat 70.000 €

Häftling fordert vom Staat 70.000 €
Blinddarm-Durchbruch: Beim Amtshaftungsprozess tauchte bereits ein alarmierender Blutbefund auf.

Wochenlang klagte der Häftling Veyis Er über Schmerzen im Unterleib. Er konnte sein rechtes Bein schon nicht mehr abbiegen. Ein Alarmzeichen für die Ärzte in der Justizanstalt Wien-Josefstadt? Keineswegs. Er solle nicht simulieren, hieß es. Man tat die Beschwerden mit einem Bandscheibenproblem ab und verabreichte Schmerzmittel.

Als der 51-Jährige endlich eiligst ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder transferiert wurde – "Ich hab’ auf einmal gespürt, da ist was geplatzt" (Veyis Er zum KURIER) – war es fast zu spät: Blinddarmdurchbruch. Eine Blutvergiftung war die Folge. Notoperation, 40 cm lange Narbe, sechs Wochen Intensivstation, Nervenschäden im Bein bis heute. Der kleine Spielautomaten-Betrüger Er, längst aus dem Gefängnis entlassen, kann höchstens einen Kilometer weit gehen, dann knickt er ein.

Hätten die Ärzte in der Krankenabteilung der Justizanstalt die Blinddarmentzündung früher erkennen können bzw. müssen? "Es hat keiner zugehört", sagt die Ehefrau des Ex-Häftlings im KURIER-Gespräch, obwohl sie bei Besuchen auf den erbärmlichen Zustand ihres Mann aufmerksam gemacht habe. Veyis Er, eigentlich Gastwirt, klagte die Republik Österreich auf Amtshaftung und fordert 70.000 Euro Schmerzensgeld samt der Haftung für Spätfolgen.

 

Vergessen

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen teilte der Republik Österreich mit, dass ihr Verfahrenshilfe zustünde, falls sie in Not wäre, und eröffnete den Prozess. Der Anwalt des Opfers, Gerold Beneder, urgierte die Vorlage eines Blutbefundes, dessen Existenz ihm zu Ohren gekommen war und auf den zunächst "vergessen" worden war.

Siehe da: Bereits am 8. September 2011 wurde an die Justizanstalt ein Laborbefund übermittelt, der einen deutlich erhöhten Leukozytenwert bei Veyis Er von 17,9 auswies. Üblich ist ein Wert zwischen vier und zehn. Erhöhte Leukozyten werden immer wieder bei Blinddarmentzündungen beobachtet.

Der Laborbefund lag allerdings sechs Tage in einer Schublade, ohne dass weitere Untersuchungen veranlasst worden wären. "Aufgrund des Befundes hätte man der Entzündung nachgehen müssen", sagt Anwalt Beneder und wittert fahrlässige Schlamperei. Der Prozess wird im Herbst fortgesetzt.

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