Großalarm nach Brandanschlägen

In diesem Lokal in Paris wurden drei PKK-Frauen getötet.
Schon 2012 warnte der Verfassungsschutz vor Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen.

Drei Brandanschläge innerhalb nur weniger Tage in Wien auf türkische Einrichtungen alarmieren den Verfassungsschutz. Obwohl die Tatortauswertungen noch keine besonderen Hinweise gebracht haben, scheint es sich um eine organisierte Angriffswelle zu handeln.

Wer hier wen terrorisiert, ist nach wie vor unklar. Sicher ist nur, dass einerseits der türkisch-kurdische Konflikt und eine linksradikale Türkenpartei Sprengstoff bieten, andererseits aber auch die Radikalisierung der heimischen Neonaziszene gegen Türken unübersehbar ist. „Wir ermitteln in alle Richtungen,“ erklärt Polizeisprecherin Michaela Rossmann.

Großalarm nach Brandanschlägen
Brandanschlag in Favoriten

Es begann mit einer schweren Sachbeschädigung gegen eine kurdische Einrichtung. Dann folgten ein Brandanschlag gegen einen eher unauffälligen Türken. Zuletzt traf es eine Einrichtung der Kemalisten – einer Gruppe, die den laizistischen türkischen Staat vertritt.

Kurden

Vor Brandanschlägen gegen türkische Einrichtungen in Österreich warnten Verfassungsschützer bereits im Jahr 2012. Im Verfassungsschutzbericht werden die Strukturen der kurdischen PKK in Österreich dargestellt. Zwar tritt die PKK offiziell nicht in Erscheinung. Aber laut Verfassungsschutz engagieren sich in Österreich 400 Sympathisanten im PKK-nahen Vereinen. Zwar wird festgehalten, dass die terroristische Gefährdung seitens der PKK gering sei. Wohl aber wird befürchtet, dass es im Falle von gewaltsamen Vorfällen im Kurdengebiet der Türkei und im Nordirak auch hierzulande zu Angriffen der PKK gegen türkische Einrichtungen kommen könnte.

Großalarm nach Brandanschlägen

Diese befürchteten Vorfälle gibt es nun. Einerseits verhandelt die türkische Regierung mit der PKK um eine Friedenslösung, gleichzeitig wurden aber drei PKK-Funktionärinnen in Paris ermordet und die türkische Luftwaffe führt heftige Bombardements gegen PKK-Stellungen durch.

Die Auswahl der sehr unterschiedlichen Angriffsziele in Wien wird aber beim Verfassungsschutz als eher untypisch für die PKK gewertet.

Kommunisten

Dadurch tritt eine weitere türkische Streitpartei in den Kreis der Verdächtigen: Die Türkische Volksbefreiungspartei-Front THKP/-C. Eine kommunistische Organisation, die in der Türkei einen gewaltsamen Kampf gegen „Imperialismus, Faschismus und Feudalismus“ führt. THKP-C-Aktivisten werden auch in Österreich vermutet. Erst in den vergangenen Tagen ging die türkische Polizei massiv gegen die THKP vor, und verhaftete zahlreiche Mitglieder. Es scheint denkbar, dass sich die THKP nun dafür rächen will. Zur THKP-C würde auch die Auswahl der unterschiedlichen Ziele besser passen, als zur PKK.

Großalarm nach Brandanschlägen
Brandanschlag in Favoriten

Neonazis

Ermittelt wird auch gegen die heimische Neonazi-Szene. Im Verfassungsschutzbericht heißt es: „Die Tendenz, dass ein junger, neonazistischer und besonders fremdenfeindlicher Rechtsextremismus mit direkt an die Jugend gerichteten Websites versucht, junge Menschen aufzuhetzen und zu rekrutieren, setzt sich fort. Geschürt wurden insbesondere feindliche Einstellungen gegen den Islam und gegen Muslime.“

Ich kann nur hoffen, dass diese Brandbomben-Attentate nicht zusammenhängen“, sagt Fuat Sanac, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Seit den Anschlägen herrscht in der etwa 250.000 Mitglieder starken türkischen Gemeinde im Land zunehmend Unruhe.

Sanac beschreibt die heikle Situation offen: „Wenn diese Unruhestifter nicht gefasst werden, dann kann sich das auswachsen.“ Der Chef der islamischen Gemeinschaft meint damit aber keine gewalttätigen Revancheaktionen: „Wenn wir uns nicht mehr zu Hause fühlen können, dann zieht man sich zurück. Für den Integrationsprozess ist das bedenklich.“

Betreffend Verdachtsmomente zeigt sich der angesehene Glaubensvertreter vorsichtig bis diplomatisch: „Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte. Es kommt jede politische Gruppe oder ein Einzeltäter infrage. Die Welt ist für uns so klein geworden. Denn wir erleben auch in muslimischen Ländern Unruhe.“

Sanac appelliert an seine Gemeinde, ruhig zu bleiben: „Wir müssen zeigen, dass wir Teil der österreichischen Gesellschaft sind.“ Nachsatz: „Solche Angriffe passieren immer wieder, wenn wir in Österreich Wahlen haben.“ An die jungen Menschen in der islamischen Gemeinde appelliert der Präsident: „Auch wenn die Emotionen durch die Anschläge hochgeschaukelt sind, gilt es Ruhe zu bewahren.“

Eigendynamik

Auch der Integrations-Sprecher und Gemeinderat der Wiener Grünen, Senol Akkilic, kann sich „spontane Gegenreaktionen nicht vorstellen“. Der selbst jahrelang in der Jugendarbeit tätige Politiker gibt aber zu bedenken: „Dass bei angemeldeten Demonstrationen eine gewisse Eigendynamik wegen der aktuellen Vorfälle entstehen kann, möchte ich nicht ausschließen. Die Mehrheit wird sich sicher nicht anstecken oder provozieren lassen.“

Laut dem Grün-Politiker sind jetzt die Behörden gefordert: „Die Täter müssen rasch überführt werden.“ Dass die Anschläge und eventuell folgende Attacken auf türkische Einrichtungen das Zusammenleben erschweren werden, glaubt Akkilic nicht: „Österreich hat eine offene Gesellschaft. Dieses Land ist ein Beispiel für ganz Europa. Und Muslime sollen sich um die Zukunft in diesem Land kümmern. Denn es geht auch um die Zukunft der Kinder.“


Großalarm nach Brandanschlägen
Präsident Fuat Sanac: „Diese Angriffe verursachen Unruhe“

Ein Star-Wars-Bausatz von Lego sorgte in der vergangenen Woche für Irritationen zwischen dem dänischen Spielzeughersteller und der Türkischen Kulturgemeinde in Wien.

Der Obmann des Vereines, Birol Kilic, kündigte an, den Konzern Lego zu klagen. Grund: Der Bausatz gleiche der Istanbuler Moschee Hagia Sophia. Der Wachturm stelle das Minarett dar, mehrere Figuren gleichen Orientalen, die als Bösewichte dargestellt sind.

Die Kulturgemeinde forderte Lego auf, das Spiel „Jabbas Palace“ vom Markt zu nehmen. Lego selbst wies jede Schuld von sich und sprach von zufälligen Ähnlichkeiten. Bis dato ist der Bausatz im Handel. „Wir haben uns nur an das Filmvorbild von Star Wars gehalten“, so ein offizielles Statement.

Auf KURIER-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Wien ist noch keine Klage gegen den Lego-Konzern eingegangen. Und das ist ganz im Sinne von Fuat Sanac, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Er gibt allerdings zu bedenken: „Religiöse Gefühle sind eine sehr sensible Angelegenheit. Und das Unternehmen Lego hätte für die Anliegen sicher ein offenes Ohr.“

Der potenzielle Kläger, Birol Kilic vom Türkischen Kulturverein argumentierte: „Muslime werden als Terroristen dargestellt. Das ist pädagogischer Sprengstoff.“

Kommentare