"Generation AMS": Auf Jobsuche mit 14.000 anderen
Nina ist 15 Jahre alt und hat sich heute gleich als eine der ersten in der Schlange beim AMS eingereiht. Ihr älterer Bruder David begleitet sie. Beim letzten Mal hatte sie nach der Beratung hier einen Zettel verschlampt, sowas soll nicht mehr passieren. Sie lacht, als sie davon erzählt. Die Zahnspange blitzt hervor. Nina sagt, sie hätte eigentlich einmal ein Gymnasium besucht, sei aber in der zweiten Klasse durchgefallen. "Mathe war das Problem“. Dann wechselte sie in eine Neue Mittelschule. Dort musste sie das letzte Jahr wiederholen. Ihre neun Pflichtschuljahre hat sie somit gesammelt, aber was nun?
"Generation AMS" oder gar "Lost Generation" liest man immer wieder, wenn über arbeitslose Jugendliche berichtet wird. In den kommenden Wochen widmen wir uns im Rahmen des Online-Projektes "kurier.at macht Schule" den Themen Jugendarbeitslosigkeit, Bildung und Medienkonsum von Teenagern. Wir sprechen mit Betroffenen, Lehrern, gehen direkt an Schulen oder eben ans AMS.
Höhere Erwartungen als früher
Seit 13 Jahren ist Gerda Challupner Leiterin des AMS für Jugendliche – mittlerweile am Gumpendorfer Gürtel im sechsten Wiener Gemeindebezirk gelegen. Die Hauptstadt hat als einziges Bundesland eine eigene Anlaufstelle für junge Arbeitslose geschaffen. "Als ich begonnen habe in den 1980ern, da gab es noch quasi Vollbeschäftigung. Damals war es für die Jugendlichen einfacher, es wurde weniger von ihnen erwartet.“ Die wirtschaftliche Situation sei freilich eine andere gewesen. Aber vor allem die Veränderung der Arbeitsplätze sei problematisch. Die technologischen Entwicklungen würden sich massiv im Hilfsarbeiterbereich bemerkbar machen. "Früher war der Job als Lagerarbeiter etwas für kräftige Burschen mit Hochstaplerschein. Das hat gut geklappt. Heute braucht man unbedingt eine EDV-Ausbildung dafür, denn Lagerhaltung ohne einschlägige Computerkenntnisse funktioniert heute nicht mehr.“ Zudem seien viele dieser Jobs auch schlichtweg verloren gegangen, weil sie automatisiert wurden.
Betreut werden sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte - oder jene, die schon länger hier leben, aber dennoch mangelnde Sprachkenntnisse aufweisen. "Seit der Flüchtlingswelle im letzten Jahr ist diese Zahl natürlich angewachsen“, sagt Challupner. Aktuell sind es rund 2500, die in erster Linie Deutschkurse benötigen. "Manche sind kaum alphabetisiert, dann gibt es wieder welche, die man nahtlos in eine fünfte Klasse einer AHS setzen könnte.“ Challupner betont, dass diese Gruppe von Jugendlichen generell sehr wissbegierig sei. Wie viele sie im letzten Jahr tatsächlich vermitteln konnte, weiß sie aber nicht. Hierzu würden keine Statistiken geführt.
Direkt an der Schule
So genannte Jugendcoaches versuchen die Jugendlichen, schon an den Schulen zu erreichen. Direkt an den Neuen Mittelschulen oder in den polytechnischen Lehrgängen werden Beratungsgespräche angeboten. "Da sind wir sehr bemüht, dass die Kinder vom System Schule auf dem Weg zum System Arbeitsmarkt nicht verloren gehen. Aber natürlich gibt es einige, die man nicht erwischt. Die kommen dann hoffentlich rechtzeitig auf uns zu uns suchen Hilfe.“
Kürzlich veröffentlichte das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) eine ernüchternde Studie zur Mindestsicherung. Darin wurde erwähnt, dass gerade die Gruppe der 15 bis 24-Jährigen einen enormen Anstieg bei diesen Bezügen verzeichnet und dass vor allem die Hauptstadt hier betroffen wäre. "Die Bundesländer schicken zu viele Flüchtlinge nach Wien, das kann sich einfach nicht ausgehen“, zeigt sich Challupner verärgert. Insgesamt gebe es zu wenige Ausbildungsplätze für Jugendliche. "Was mir besonders Kopfzerbrechen bereitet, sind Arbeitsplätze für jene, die eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Für diese Jugendlichen dann auch den passenden Job zu finden, ist nicht einfach.“ Die Arbeitslosigkeit der 19 bis 24-Jährigen steige stetig an. Österreichweit waren 2015 rund 46.000 Jugendliche unter 25 arbeitslos gemeldet.
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