Gemeindewohnungen: Zugang wird strenger

In Zukunft erhält man ein "Wohn-Ticket", das vom Gemeindebau über Genossenschaftswohnungen bis zum geförderten Eigentum alles umfasst. (Im Bild: Der Karl-Marx-Hof im 19. Bezirk)
Wer fünf Jahre in Wien hauptgemeldet ist, rückt in der Warteliste um drei Monate vor.

Schon im Vorfeld sorgten die neuen Vergaberegeln für Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen für heftige innerkoalitionäre Debatten, jetzt ist es offiziell: Die Stadt wird künftig alteingesessene Wiener bei der Vergabe solcher Wohnungen bevorzugen. Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig (SPÖ) präsentierte am Mittwoch ein entsprechendes Bonus-System, das bereits mit 1. Juli in Kraft tritt.
Und so sieht die Regelung im Detail aus: Wer schon volle fünf Jahre in Wien hauptgemeldet ist (egal ob In- oder Ausländer), rückt in der Warteliste um drei Monate nach vorne. Bei zehn Jahren sind es sechs Monate. Der maximale Bonus beträgt neun Monate, wenn man 15 Jahre oder länger in Wien hauptgemeldet ist. Wie viele Wiener von dieser Regelung profitieren werden, wagt Ludwig allerdings noch nicht zu prognostizieren.
Schon bisher galt, dass man mindestens zwei Jahre in Wien hauptgemeldet sein musste, wenn man eine Gemeindewohnung bekommen wollte. Diese Regelung wird künftig ebenfalls für alle Wohnungen gelten, die über die Wohnberatung Wien vergeben werden – also auch geförderte Wohnungen oder Smart-Wohnungen. Auch weitere Vormerk-Richtlinien werden künftig einheitlich für das gesamte Wohnungsangebot gelten.
Die Bevorzugung von Langzeit-Wienern hatte Ludwig zuletzt massive Kritik des grünen Koalitionspartners eingebracht. Die Maßnahme sei ein Zugeständnis an die FPÖ-affine Klientel im Gemeindebau.


„Hinten anstellen“

Für Ludwig ist dieser Vorwurf völlig „aus der Luft gegriffen: Niemand soll ausgeschlossen werden – egal ob er aus dem Ausland oder den Bundesländern zuwandert. Aber er muss sich eben hinten anstellen“, betont der Stadtrat. Die neuen Vergaberegeln seien auch keine spontane Wahlkampf-Aktion sondern gehören zu einer langfristigen Gesamtstrategie.
Vereinheitlicht wird auch das Anmeldesystem – mit einem sogenannten „Wohn-Ticket“, das für sämtliche Wohnungstypen gilt. Bei der Vergabe der Wohnung ist zudem der Zeitpunkt der Erstanmeldung entscheidend und nicht mehr jener der individuellen Anmeldung bei Einzelprojekten. Das helfe laut Ludwig Menschen, die nicht den ganzen Tag Zeit hätten, am Computer die aktuellen Angebote zu überprüfen.
Strikter geregelt wird auch der Vormerkgrund „Überbelag“. Um an eine größere Wohnung zu gelangen, kam es bisher vor, das plötzlich sieben Personen in einer 25-m²-Wohnung gemeldet waren. Künftig werden hinsichtlich „Überbelag“ nur noch enge Familienmitglieder berücksichtigt.

Ausweitung

Ludwig rechnet damit, dass die neuen Regeln zu einer Verkürzung der Wartezeiten führen werden. Eine Ausweitung auf geförderte Wohnungen, die nicht von der Stadt vergeben werden, kann man sich derzeit aber nicht vorstellen. „Über das Wohnbauförderungsgesetz gibt es schon klare Kriterien, an die sich die Bauträger halten müssen. Auch gebe es individuelle Vereinbarungen mit der Stadt“, betont ein Sprecher. Weitere Auflagen würden die Freiheiten der Bauträger zu stark einschränken.

Der Wiener ÖVP geht die Neuregelung der Wohnungsvergabe nicht weit genug: "Es ist keineswegs logisch und sozial, dass Menschen die ein höheres Einkommen aufweisen den gleichen Zins zu zahlen haben, wie diejenigen, die deutlich weniger verdienen", sagt Parteichef Manfred Juraczka. Er fordert, die soziale Bedürftigkeit der Gemeindebau-Mieter in periodischen Abständen zu überprüfen. Wer dann besser verdient, soll drei Optionen haben: Den Auszug aus der Wohnung, eine Anpassung der Miete an marktübliche Konditionen sowie die Möglichkeit, die eigenen vier Wände zu erwerben.

"Darüber hinaus sollte Rot-Grün auch auf verstärkte Eigentumsförderung setzen", fordert Juraczka. "Nahezu die komplette Wohnbauförderung geht in die Errichtung von Mietwohnungen, wir fordern zumindest zehn Prozent gefördertes Eigentum."

"Jede im Moment vollmundig angekündigte Initiative in Sachen Wohnbau ist nicht mehr als ein durchschaubarer Wahlkampf-Gag der Stadt-Genossen, die bereits jetzt Angst vor einer massiven Wahlschlappe haben", sagt FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus. Vielmehr müssten mindestens 5000 Gemeindewohnungen jährlich errichtet werden. Zudem müsse endlich eine Sanierungsoffensive starten, um alte Bauten wieder in Schuss zu bringen. Gudenus weiter: "Die Möglichkeit auf eine geförderte Wohnung soll es nur für jene Zuwanderer geben, die Integrationsbereitschaft zeigen."

Eine gestaffelte Erhöhung der Mieten für Besserverdiener, die im Gemeindebau wohnen, samt jährlichen Gehaltsnachweis fordert auch Martin Prunbauer, Präsident des ÖVP-nahen Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes. Denn das jetzige System lasse die soziale Treffsicherheit vermissen. "Fakt ist: 47 Prozent der Mieter aus den oberen Einkommen leben in einer Gemeindewohnung oder gemeinnützigen Genossenschaftswohnung. 51 Prozent der Mieter mit niedrigen Einkommen versorgen sich auf dem privaten Markt."

Ab wann ist man ein richtiger Wiener? Wohnbaustadtrat Michael Ludwig hat mit seinen neuen Richtlinien bei der Wohnungsvergabe (mehr dazu lesen Sie hier) eine neue Kategorie Wiener erfunden.

Zumindest fünf Jahre muss man hier (hauptgemeldet) leben. Dann gibt es einen Zeitbonus.

Das ist noch keine ausländerfeindliche Politik. Denn Wien macht bei der Vergabe (weiterhin) keinen Unterschied, ob die Bewerber aus St. Pölten, München oder Ankara stammen.

So ein Belohnungssystem für "echte" Wiener ist mehrheitsfähig und eine versteckte Ansage in dem von der FPÖ betriebenen Ausländer-Wahlkampf. Die SPÖ braucht hier dringend "Good News". Und die Wohnbaupolitik ist jetzt der Lieferant.

Kommentare