Aliyev: Fünf verschiedene Medikamente nachgewiesen

In einer baugleichen Zelle in der Justizanstalt Josefstadt wurde der ehemalige kasachische Botschafter Rakhat Aliyev Ende Februar tot aufgefunden.
Kasachischer Ex-Botschafter laut toxikologischem Gutachten mit zwei Schlafmitteln, Paracetamol und Arzneien gegen Diabetes und Bluthochdruck vollgepumpt.

Der kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev ist seit 24. Februar tot, aber die Justiz hat mit ihm alle Hände voll zu tun. Ein Geschworenenprozess soll (ohne Hauptangeklagten) klären, ob Aliyev gemeinsam mit zwei Mitangeklagten zwei kasachische Bankmanager ermordet hat. Ein Schöffensenat soll beurteilen, ob er vor seinem Tod in der U-Haft von Zellengenossen erpresst worden ist. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt seit drei Monaten, ob sich Aliyev in seiner Zelle erhängt hat oder womöglich ermordet bzw. (von den Zellengenossen?) in den Selbstmord getrieben wurde.

Aliyev: Fünf verschiedene Medikamente nachgewiesen
ABD0072_20150303 - WIEN - ÖSTERREICH: Der Überwachungsmonitor jenes Zellentraktes, in dem der ehemalige kasachische Botschafter Rakhat Aliyev (Alijew) Tod aufgefunden wurde, aufgenommen am Dienstag, 3. März 2015, in der Justizanstalt Josefstadt. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Ein am Freitag bekannt gewordenes toxikologisches Gutachten kommt zum Ergebnis, dass der 52-Jährige mit Medikamenten vollgepumpt war. Der Direktor der Gerichtsmedizin Innsbruck, Richard Scheithauer, fand Spuren der Schlafmittel Zolpidem und Bromazepan. Letzteres gehört zur Gruppe der Benzodiazepine und wird auch gegen Angstzustände und zur Beruhigung eingesetzt. Daneben ließen sich Medikamente gegen Diabetes und Bluthochdruck nachweisen, sowie das schmerzstillende und fiebersenkende Paracetamol. Alle Medikamente waren verschrieben worden.

In dem Gutachten steht, dass die beiden Schlafmittel einander in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkt hätten. Das verschafft keine abschließende Gewissheit, sondern gibt zu neuen Spekulationen Anlass. Dass Aliyev die täglich verabreichten Arzneien gehortet haben könnte, kann die Gefängnisverwaltung nicht ausschließen. Möglicherweise hat er sich mit dem Medikamentencocktail seinen Suizid durch Erhängen mit einer Mullbinde erleichtert, so lautet eine These.

Keine Barbiturate

Nicht bestätigen ließen sich die Hinweise auf Barbiturate, die ein in Wien durchgeführter Schnelltest ergeben hatte. Diese chemischen Verbindungen sind als Betäubungsmittel einsetzbar, aber in Österreich als Medikament verboten. Der Anwalt von Aliyev, Manfred Ainedter, verlangt jetzt auch die Untersuchung des asservierten Leber-, Lungen- und Nierengewebes sowie der Haare.

Für die Anklagebehörde enthält das Gutachten hingegen keine Auffälligkeiten, die gefundenen Wirkstoffe würden der Medikation entsprechen.

Die Einvernahme eines Zellennachbarn, der die Suizid-Theorie weiter ins Wanken bringt, hat die Staatsanwaltschaft bisher unterlassen: Der 45-jährige Rollstuhl-Fahrer Norbert M. hatte am Nachmittag des 23. Februar als letzter Mithäftling Kontakt mit Aliyev. Das berichtete er am Freitag im Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Erpresser. Aliyev sei keineswegs depressiv gewesen. „Wir haben noch gemeinsam gelacht“, und Aliyev habe sich vier Cola-Dosen ausgeborgt, erzählte der Zeuge: „Er war nicht der Mann, der sich etwas ausgeborgt hätte, was er nicht zurückgeben hätte können.“ Im Gegenteil, laut anderen Mithäftlingen habe er sich mit Geld die Wege im Gefängnis ebnen wollen, aber auch gern erzählt, „wie man Leute umbringt“.

Erpressungsanzeige

Der Stockchef der Abteilung Z5 in der Justizanstalt Josefstadt, in der Aliyev und die mutmaßlichen Erpresser untergebracht waren, hatte schon häufig mit „namhaften, gut betuchten Insassen“ zu tun. Diese machen Mithäftlingen Angebote, und so einer war Aliyev. Der Stockchef sagt, er habe die Zellengenossen gewarnt, sich auf nichts einzulassen. Da habe einer der beiden (von Mirsad Musliu, Kanzlei Rast, verteidigten) Häftlinge gesagt: „Ups, ist schon passiert. Aliyev hat mir Geld angeboten.“ 1000 Euro wurden via Anwälte überwiesen. Erpressungsgeld, wie Aliyev in einer Anzeige behauptete, weil ihm die Zellengenossen mit einem als Selbstmord getarnten Mord gedroht hätten.

Der Stockchef outete sich im Zeugenstand als letzter Mensch, der Aliyev lebend gesehen hat. Um 22 Uhr, bei der Medikamentenausgabe für die Nacht, habe er mit ihm noch gesprochen: „Er war ganz normal.“

Der Prozess wurde vertagt. Man sucht noch eine Gefängnis-Krankenschwester mit Spitznamen „Ironman“.

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