Expertenrat soll Aliyevs Tod klären

Rakhat Aliyev: In seinem Blut wurden Barbiturate festgestellt, so sein Anwalt.
In der kasachischen Botschaft wurde laut Ehefrau eines Mithäftlings der Selbstmord gefeiert.

Die bei einem ersten Bluttest in der Leiche des kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev gefundenen Spuren eines Betäubungsmittels in geringer Menge liefern neuen Nährstoff für Verschwörungstheorien. Um den Spekulationen vorzubeugen, setzt Justizminister Wolfgang Brandstetter einen Expertenrat ein, der den Tod des unter Mordverdacht gestandenen 52-Jährigen im Gefängnis untersuchen soll. Aliyev war am Dienstag erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden. Der pensionierte Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy wurde mit der Leitung der Kommission betraut. Er soll nun weisungsungebundene Fachleute um sich scharen.

Der pensionierte Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy wurde mit der Leitung der Kommission betraut. Er soll nun weisungsungebundene Fachleute um sich scharen. Auch zwei externe gerichtsmedizinsche Institute werden hinzugezogen. Aliyev-Anwalt Manfred Ainedter forderte in der ZIB 2 die Einbeziehung des FBI.

Das Angebot der kasachischen Botschaft, Österreich bei den Ermittlungen zu unterstützen, bekommt unterdessen einen bitteren Beigeschmack. Zumindest, wenn man den Erzählungen der Frau eines ehemaligen Mithäftlings von Aliyev glaubt. Alnur Mussayev war Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB und soll Aliyev (er war Vize-Chef des KNB und später Vize-Außenminister) bei der Ermordung von zwei Bankmanagern in Kasachstan geholfen haben. Beide Männer wurden nach dem Ende ihrer Politkarriere zu Staatsfeinden ihres Heimatstaates. Mussayevs Ehefrau behauptet, am Tag des Todes von Aliyev habe es in der kasachischen Botschaft sogar eine Siegesfeier gegeben.

Ihr Mann glaubt nicht an einen Selbstmord: So ein „Geschenk“ hätte Aliyev seinen Feinden nie gemacht. Mussayev wird seinen Angaben nach seit Aliyevs mutmaßlichem Selbstmord strenger bewacht. Er dürfe seine Spaziergänge im Gefängnishof nur noch allein machen. Der stellvertretende Anstaltsleiter Franz Higatsberger kann das nicht bestätigen, sagt aber, die Betreuung sei zur Vorsicht vor Selbstgefährdung intensiviert worden. Mussayevs Frau und kleiner Sohn bekamen in den ersten Tagen nach Aliyevs Tod Personenschutz, dieser wurde wohl auch aus Kostengründen beendet.

Bluttest

Was nun die bei einem Vortest im Blut von Aliyev gefundenen Barbiturate betrifft, geben routinierte Gerichtsmediziner auf KURIER-Anfrage Entwarnung: In 99 Prozent aller Fälle stellt sich später ein harmloses Ergebnis ein. Auch ganz übliche – vom Arzt verschriebene – Medikamente können „über Kreuz reagieren“, wie der Fachmann sich ausdrückt, und quasi fälschlich Barbiturate anzeigen. Auch Psychopharmaka würden beim Schnelltest Barbiturate ergeben. Eine genaue Blutuntersuchung wird noch zwei bis drei Wochen dauern.

Leichtes Schlafmittel

Barbiturate haben Wirkungen, die von sedierend über hypnotisch bis zu narkotisch reichen können. Deshalb sind sie in gebräuchlichen Schlafmitteln nicht enthalten. Aliyev hatte am Abend vor seinem Tod gegen 21.30 Uhr von der Nachtschwester durch die Klappe seiner Zellentür ein angeblich leichtes Medikament gegen Schlafstörungen erhalten. Die Gefängnisleitung hat an die Staatsanwaltschaft eine Auflistung der Medikamente übermittelt, die Aliyev verordnet worden waren. „Dass er sich selbst etwas besorgt hat, kann man nicht ausschließen“, sagt Higatsberger.

Es wäre aber nicht das erste Mal, dass bei Aliyev Gift gefunden wurde. Nach seiner ersten Verhaftung am 1. Juni 2007 wurde in einem Haftbericht des Bundeskriminalamtes festgehalten: „Kollaps des Aliyev während ärztlicher Untersuchung.“ Zwei Tage später wurde unter dem Titel „Streng Geheim“ festgehalten: „Röntgenbefund: Rechter Unterbauch 12 mm messender rundlicher metallischer Fremdkörper. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Fremdkörper dem RA (Rakhat Aliyev, Anm.) anlässlich seiner Festnahme durch bislang unbekannte Täter beigebracht worden sind.“ Im Fremdkörper war Gift enthalten. Aliyev beschuldigte damals Polizeibeamte, sie hätten ihn zu vergiften versucht. Doch die Erhebungen endeten ergebnislos.

Kurz vor seinem Tod übergab Rakhat Aliyev der Staatsanwaltschaft ein brisantes eMail aus dem Jahr 2011. Es ist laut Presse vom Wiener Anwalt Gabriel Lansky, der die mutmaßlichen Opfer des unter Mordverdacht gestandenen Aliyev vertritt, unterzeichnet und richtet sich an OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss. Darin wird dieser aufgefordert, sich für die Strafverfolgung Aliyevs stark zu machen, weil sonst Österreichs – von Kasachstan abhängige – Wirtschaft Schaden nehmen könnte. Kasachstan ist Öllieferant für die OMV, die über ihre Tochter Petrom in Kasachstan engagiert ist.

In dem Mail steht, dass Kasachstan auf Österreich nicht angewiesen sei und eine Untätigkeit der Justiz Folgen für die Beziehungen der Staaten haben könnte.

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