"Das ist eine kranke Person"

Doppelmord Wien, Tatort
Gerhard H., Sohn des ermordeten Ehepaares, will Gerichtsprozess besuchen.

Der Doppelmord an einem Ehepaar in Wien-Donaustadt war selbst für die abgebrühten Mordermittler des Landeskriminalamts harter Tobak. Gerhard und Erna H. wurden am 19. Mai mit einem Messer angegriffen. Am Körper der Frau hinterließ der Täter die Nachricht "Tantal"; geschrieben mit brauner Holzlasur.

Vor wenigen Tagen wurde der mutmaßliche Doppelmörder Dariusz K. nach Österreich ausgeliefert – am 8. Juni hatten ihn Zielfahnder in Düsseldorf geschnappt. Für die Ermittler ist der Fall somit so gut wie abgeschlossen. Für die Hinterbliebenen noch lange nicht.

"Das ist eine kranke Person"
Gerhard H., Sohn des ermordeten Ehepaares Gerhard und Erna H., Doppelmord, Wien-Donaustadt
Gerhard H. war es, der seine Eltern zwei Tage nach der Tat tot im Innenhof des Grundstücks fand. "Ich war mit meiner Frau, meinem Sohn und seiner Freundin essen. Meine Schwester hat mich angerufen, weil sie die Eltern nicht erreichen konnte", erzählt er. Er schaute vorbei.

Seither hat sich viel im Leben des Managers verändert. "Mein Weltbild war von positivem Denken geprägt. Mein Vertrauen in die Menschen ist erschüttert." Und gleichzeitig habe er auch eine schöne Erfahrung gemacht: "Dass man als Familie zusammensteht. Dass es Freunde gibt, die da sind."

Einbruch nach der Tat

Das Grundstück und das Haus zu betreten, sei jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung. "Derzeit sind wir nur zum Blumengießen und Rasenmähen dort", erzählt Gerhard H. "Wir haben nichts entfernt. Das bringen wir nicht übers Herz." Als vor einigen Wochen die Tür des Hauses aufgebrochen war, sei das ein Schock gewesen. "Da ist wirklich jemand in das leer stehende Haus eingebrochen", ist er erschüttert. Gestohlen wurde bis auf einen kleinen Fernseher zwar nichts – die Kaltblütigkeit des Einbrechers setzt ihm trotzdem zu. "Wahrscheinlich hat er das Haus in den Nachrichten gesehen und wusste deshalb, dass er hier ungestört einsteigen kann."

Wie es mit dem Haus weitergeht, hat die Familie noch nicht entschieden. "Treffen sie jetzt keine Entscheidungen", hat eine Psychologin zu Gerhard H. gesagt. Daran hält er sich. "Es ist jedenfalls emotional schwer vorstellbar, dort zu wohnen", sagt er. Dariusz K. dürfte sich nach der Tat mehrere Stunden im Haus aufgehalten haben, wusch hier auch seine Wäsche.

Dass der mutmaßliche Mörder seiner Eltern gefasst ist und einen Prozess in Österreich bekommt, war Gerhard H. wichtig. "Es war auch wichtig zu erfahren, wer die Tat begangen hat." Denn erst tappten auch die Ermittler völlig im Dunkeln. "Natürlich war da auch die Angst: Hat da jemand etwas gegen die Familie? Der Zufall ist eine bessere Erklärung."

Unverständnis

Hass empfinde er gegen den 29-jährigen tatverdächtigen Polen nicht. "Es ist ein großes Unverständnis da. Das ist eine kranke Person."

"Das ist eine kranke Person"
Erna und Gerhard Hintermeier, Doppelmord Wien, Opfer, Honorarfrei
Hätte der Täter an der Tür der Eltern um ein Essen gebeten, hätte er es bekommen, ist Gerhard H. überzeugt. "Und sie hätten ihm auch Kleidung gegeben. Die Tat war absolut überzogen." Vater und Mutter seien sehr sozial gewesen.

Erna H. engagierte sich im Pensionistenverein. Auch der Vater opferte seine Freizeit, um anderen Menschen zu helfen. "Sie waren glücklich in ihrem Garten. Und vielleicht zu gutgläubig."

"Das ist eine kranke Person"
Erna und Gerhard Hintermeier, Doppelmord Wien, Opfer, Honorarfrei
Gerhard H. verfolgt genau, wie es in dem Fall weitergeht. Und er will auch den Gerichtsprozess besuchen. Aus Neugierde. "Er wird seine gerechte Strafe bekommen. Aber es bringt die Eltern nicht zurück." Doch ein Zweifel bleibt: Ob er sich den grausamen Details noch einmal aussetzen will. "Ich habe meine Eltern gesehen. Vielleicht sollte ich aus Selbstschutz doch nicht hingehen."

Die Bilder im Kopf bleiben. "Es hat gedauert, bis ich weinen konnte", gibt der Manager zu. Die Gespräche mit einer Psychologin hätten ihm geholfen. Und auch das Engagement der Ermittler.

"Ich habe größte Hochachtung vor ihrem Einsatz, was sie da geleistet haben", sagt er. "Man hat das Gefühl gehabt: Da wird Tag und Nacht gearbeitet. Da gab es ein großes Engagement. Auch auf menschlicher Ebene. Man kann sich dafür gar nicht erkenntlich zeigen."

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