Diözese Wien auf Schrumpfkurs

Ein niederösterreichischer Pfarrer sorgt für Wirbel.
Priestermangel, weniger Gläubige, teure Kirchenerhaltung – die Erzdiözese Wien fährt einen radikalen Sparkurs.

Die Erzdiözese Wien ging Donnerstag überraschend in die Offensive. Generalvikar Nikolaus Krasa, der Stellvertreter Kardinal Schönborns, präsentierte die angelaufene Kirchen-Reform.

Als Basis für das Projekt "Pfarre neu" dient dabei ein Kahlschlag bei den Pfarren. Im Zeitraum von acht Jahren wollen die Kirchen-Manager die Infrastruktur von 660 Pfarren – um über die Hälfte – auf etwa 300 herunterfahren. Als Auslöser für den Sparkurs gelten Priestermangel, der Schwund an Gläubigen, die demografische Entwicklung des Kirchenvolkes sowie die hohen Kosten zur Erhaltung der Infrastruktur. Im Jahr müssen alleine für die Arbeiten an Kirchen in der Erzdiözese Wien mehr als 25 Millionen Euro investiert werden (Details siehe rechts).

Verkauf von Kirchen

"Wir werden nicht alle Kirchen halten können", erklärte Generalvikar Krasa. Konkret bedeutet das, dass Gotteshäuser nicht nur an befreundete Religionen verschenkt werden, wie in Wien bereits bei der Pfarre Neulerchenfeld – an die serbisch-orthodoxe Gemeinde – geschehen.

Diözesen-Sprecher Michael Prüller im Klartext: "Kirchen können zu Urnenfriedhöfen oder etwa Pfarrer-Unterkünften umfunktioniert werden. Als letzte Option gilt der Verkauf. Am Ende des Tages wird es auch Veräußerungen geben."

Bleibt die Frage der Reaktion unter den 1,2 Millionen Gläubigen in der Erzdiözese. Denn viele Pfarren und Pfarrhöfe werden zu größeren Verbänden zusammengelegt. Eines der Gotteshäuser in diesen Verbänden wird dann zur "Hauptkirche" erklärt. Dort spielt sich schließlich auch der Großteil des spirituellen Lebens ab. In den anderen Kirchen – sofern nicht verschenkt oder verkauft – werden Messen eher zur Rarität werden. Weiters stellt sich die Frage der Namensgebung. Hinter den Kirchenmauern ist schon jetzt eine Debatte darüber entbrannt.

Allerdings, so Generalvikar Krasa, sollen die lebendigen Pfarrgemeinden erhalten bleiben: "Die Reform ist als Zusammenführungs-Prozess gedacht. Filialgemeinden sollen sich nicht verselbstständigen, sondern zusammenwachsen." Nachsatz des Kirchen-Managers: "Es soll kein Aderlass-Prozess vermittelt werden, bei dem der Fokus darauf liegt, was mit weniger Ressourcen gerade noch geht. Trotz einer 2000-jährigen Kirchengeschichte wollen wir in Wien den Kulturbruch wagen, Dinge auszuprobieren."

Zwei Pilotprojekte

Aktuell laufen in den Wiener Bezirken 10 und 15 zwei Pilotprojekte. In Favoriten wird von 15 auf vier Pfarren reduziert. Und in Rudolfsheim-Fünfhaus bleiben von sieben zwei Pfarren über (Lokalaugenschein in Favoriten siehe unten).

Als Unsicherheitsfaktor gilt die Reaktion der Pfarrer. Viele werden Status und die Leitung ihrer Pfarre verlieren. Bis dato sind Proteste, aber auch Übereinstimmung in der Erzdiözese eingegangen. Enttäuschte Gottesmänner werden zu Gesprächen eingeladen.

Die gestartete Reform fokussiert sich in erster Linie auf die Erzdiözese Wien. Aber auch die Diözese St. Pölten überlegt im Waldviertel Pfarren zusammenzulegen. Gleiches könnte im Burgenland passieren. Alpine Regionen kommen aus topografischen Gründen nicht infrage.

Diözese Wien Gebiet: Umfasst Wien, das Wein- und Industrieviertel in NÖ, sowie den Wienerwald.

Kirchen: 1000, davon 250 in Wien, müssen instand gehalten werden. Weiters: 1500 nicht sakrale Bauten.

Fusion der Pfarren: 659 Pfarren sollen auf 300 zusammengelegt werden.

Erhaltung der Gebäude: Gesamtkosten 25 Millionen/Jahr. Finanzierung erfolgt aus Kirchenbeiträgen, Pfarr-Einnahmen, Subventionen und Spenden.

Personal: 1108 Priester, darunter 500 Ordenspriester stehen zur Verfügung.

Gläubige: In der größten heimischen Diözese sind 1,23 Millionen Gläubige registriert. Tendenz fallend.

Beim Lokalaugenschein in Wien-Favoriten stand der KURIER am Donnerstagnachmittag vor verschlossenen Kirchentüren. Dementsprechend wenige Gläubige waren vor der Pfarre St. Johann am Keplerplatz anzutreffen. Die wenigen reagierten auf Nachfrage eher negativ auf die geplanten Zusammenlegungen der Pfarren: "Ich bin gläubig und gehe gern in die Kirche. Aber wenn ich eine halbe Stunde rennen muss, um in eine andere Kirche zu kommen, werde ich nicht mehr oft in die Messe gehen", erzählt Josef Eigner.

Auch eine Damen-Gruppe wunderte sich. Sie wollten tagsüber die Kirche aufsuchen, doch die war versperrt. "Mein Sohn wurde in dieser Kirche getauft, und ich werde mitten am Tag nicht reingelassen, wenn ich das Bedürfnis habe. Das ist nicht in Ordnung", ärgert sich eine der Frauen. Eine andere hat Angst, nicht mehr in die Kirche zu können, in der sie geheiratet hat: "Man hat viele Erinnerungen an Anlässe, an die man gern zurückdenkt. Traurig, wenn die Kirche geschlossen werden würde."

Trotz des überwiegend negativen Grundtenors fand sich auch eine Frau, die gute Aspekte sieht: "Ich bin katholisch und war dann mit einem Tunesier verheiratet. Zurzeit nähere ich mich wieder der Kirche an. Wenn die Pfarren fusioniert werden, kommen vielleicht mehr Leute in die Messe. Ich fände es schön, wenn das Gemeinschaftsgefühl stärker wird", meint Ursula Zemzemi, sie wohnt in der Nähe der St.-Johann-Kirche.

Bei der angestrebten Fusion der Pfarren drängt sich aber auch die Frage um das gespendete und erwirtschaftete Geld in den Vordergrund. In den 15 Pfarren Favoritens beginnen bereits monitäre Gespräche. Denn wenn Gottes- und Pfarrhäuser geschlossen oder fusioniert werden, muss ein Aufteilungs-Schlüssel für die jeweilige Finanz­gebarung gefunden werden. Es gilt, ein gemeinsames Budget zu schnüren.

In Deutschland wurde der Weg der Fusionen bereits beschritten. Diskussionen ums Geld prägten den Alltag. Zusätzlich mussten die Strukturen in den Pfarrgemeinderäten neu definiert werden. Die Reform "Pfarre neu" bringt auch Vorteile. Kleine Pfarren können von den Aktivitäten größerer Gemeinden, etwa im Jugendbereich, profitieren.

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