Die neuen Nachbarn aus dem Nest

Die neuen Nachbarn aus dem Nest
Integration: Das Rote Kreuz setzt auf spezielle Unterkünfte, um Flüchtlinge zu integrieren. Doch es mangelt an Wohnungen.

Die Wohnung der Familie Muhmadieva in Wien-Landstraße ist hell, geräumig und sauber. Auf der Matratze im Schlafzimmer sitzt die 8-jährige Lalita neben ihrem 4-jährigen Bruder Abdul-Malik und schaut das Kinderprogramm. Im Wohnzimmer sitzt der 12 Jahre alte Hamid am Boden und dehnt seine Muskeln für das Karatetraining am Nachmittag. Aus der Küche kommt der Geruch von schwarzem Tee, den die Mutter zubereitet.

Bis auf das Kopftuch von Elita Muhmadieva unterscheidet die Familie nichts von ihren Nachbarn. Und doch will kaum ein Österreicher neben der tschetschenischen Familie wohnen. Denn Migranten sind als Nachbarn oft unerwünscht.

Bernhard Schneider kennt die Konflikte nur zu gut. Der Migrationsleiter des Roten Kreuzes sitzt in einem winzigen Büro in der Rot-Kreuz-Zentrale im 4. Bezirk. Seit 2005 vermittelt er von hier in Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien sogenannte Startwohnungen für Flüchtlinge.

"Wir betreiben Integration in einem abgesicherten Setting", sagt Schneider. Die Probleme, die er aus der Ar beit kennt, spiegeln dabei die großen Probleme der Integration wieder. "Integration passiert ja nicht in den Wolken oder auf Amtsstuben, sondern in der Nachbarschaft."

Ana Shoaiyan spricht nicht von Wohnungen, sondern von "Nestern", wenn sie von den Startwohnungen spricht. Die Integrationsbeauftragte des Roten Kreuzes besucht die tschetschenische Familie Muhmadieva ein Mal pro Woche. "Die Flüchtlinge in den Startwohnungen haben kaum Geld. Ein Sonntagsausflug, wo es dann ein Eis für alle Kinder gibt, ist für sie nicht finanzierbar", sagt Ana Shoaiyan. Die Ausflüge gingen daher von Nest zu Nest. "Und wenn dann sechs Kinder zusammenkommen ist es entsprechend laut", klärt die Sozialarbeiterin über die oft beklagten "Kindermassen" der Migranten auf.

Konflikte

Die neuen Nachbarn aus dem Nest

Die Muhmadievas mussten sich in ihrer neuen Heimat einiges erklären lassen: "Zum Beispiel die Sache mit den Schuhen. Die stellen wir jetzt nicht mehr vor die Türe", sagt die tschetschenische Mutter. Denn so wie Muslime es gewohnt sind, ihre Schuhe vor die Türe zu stellen, verhält es sich auch mit vielen anderen Konflikten. Um Missverständnissen vorzubeugen, geht Shoaiyan bewusst auf die Nachbarn zu und klärt sie über ihre neuen Nachbarn und deren Herkunft auf: "Die Österreicher sind sehr freundlich -, wenn sie wissen, was los ist. Viele helfen dann auch aktiv", sagt Shoaiyan.

Ganz so optimistisch klingt Bernhard Schneider nicht: "Wir finden seit einem Jahr keine Wohnung mehr, dabei bräuchten wir ganz dringend drei bis vier Wohnungen. Scheinbar haben viele Vermieter Angst, an Flüchtlinge zu vermieten."

Grund zur Sorge gebe es dabei nicht: Für etwaige Schäden steht laut Schneider ohnehin das Rote Kreuz gerade.

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