„Neonazis mit dem kleinen Latinum“

Die Identitären
Der Rechtsextremismus-Forscher Andreas Peham sagt den „Identitären“, einer neuen rechten Bewegung, keine große Zukunft voraus.

Der Tanzstil erinnerte an „Krocha“, die Musik an den Prater-Dome und die Masken an den Faschingsdienstag. Mit einer Störaktion auf einem Caritas-Event in Wien betraten die „Identitären“ vor einem Monat die öffentliche Bühne. Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes über ihre Herkunft, Ideologie und den Platzhirschen FPÖ.

KURIER: Unbekannte in Schweine- und Affenmasken tanzen am „Tanz der Toleranz“ der Caritas. Was war da Ihr erster Gedanke?

Andreas Peham: Ich war peinlich berührt. Ein misslungener Versuch, poppig zu sein und jugendkulturelle Authentizität auszustrahlen.

Jetzt weiß man, dass es sich um „Identitäre“ gehandelt hat. Wie würden Sie diese Bewegung politisch einordnen?

Dazu fehlen noch programmatische Äußerungen. Man kann sie nach der Herkunft einiger Mitglieder, nämlich aus dem organisierten Wiener Neonazismus, im rechten Lager verorten. Wir vermuten, dass jüngere Burschenschafter und keine Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu dahinterstecken. Man kann sagen, Neonazis mit dem kleinen Latinum.

Steht die rechte Szene nach der Verhaftung des Neonazis Gottfried Küssel unter Druck?

Der verstärkte Druck sorgte für eine Umorientierung weg vom klassischen Nationalsozialismus. Sie sind umgeschwenkt auf einen Kurs, den man zusammenfassen kann als Versuch, eine Neue Rechte zu positionieren. Eine jüngere Generation hat mit den Inhalten des Neonazismus gebrochen. Warum auch immer: Ist es Taktik oder eine Neuausrichtung?

Wen will man ansprechen? Selbst die elektronische Musik ist apolitisch.

Das ist eher Prolo-Techno, ohne Arbeiter abwerten zu wollen. In der Szene lehnt man das total ab.

Diese Gruppierung rühmt sich damit, nicht rassistisch, sondern „identitär“ zu sein. Wofür steht dieses Konzept?

Das wird als Ethnopluralismus bezeichnet. Es ist nur eine Modifikation des Rassismus. Die zentrale Bezugsgruppe, und das teilen sie mit Rassisten, sind die Völker. Die Kulturen in ihren Identitäten sind gleichberechtigt und sollen erhalten bleiben. Das ist globale Apartheid, jedes Volk ist in seiner Identität abgeschlossen. Es ist aber nicht viel gewonnen, wenn man von kultureller Identität anstatt von Rassismus spricht.

Sie sind also schwer sichtbar – auch für die Polizei.

Es ist zu hoffen, dass der Verfassungsschutz die Kontinuität zu den Vorläufergruppen kennt und sie im Auge behält. Jeder Mensch kann sich mäßigen, das gestehe ich jedem zu. Es gab noch nichts Strafrechtliches, aber eine Gefahr geht von ihnen aus.

Von Affenmasken?

Wenn man hört: „Die Rassen sollen sich nicht mischen.“ Da weiß man, das sind Rassisten. Aber wenn jemand sagt: „Die Kulturen sollen ihre Identität bewahren.“ Mit diesem intellektuellen Touch kann es sein, dass sie mehr Menschen erreichen und Gehör finden.

In ihrer Heimat Frankreich ist die Gruppe gewachsen.

Dort gab es andere Voraussetzungen. In Österreich sind die Versuche, den Rechtsextremismus zu modernisieren, gescheitert. Warum? Weil die FPÖ zu er-folgreich ist. Die Neue Rechte ist in Deutschland oder Frankreich aus dem Scheitern des parteiförmigen Rechtsextremismus entstanden. Hier ist der Ring Freiheitlicher Jugend der Platzhirsch. Wenn er sich für den rechten Rand öffnet, dann ist kein Platz mehr.

Ist das derzeit der Fall?

Nachdem die FPÖ-Jugend unter Johann Gudenus zuerst nach rechts rückte, versuchte man danach auch in Wien, die Grenze zum rechten Rand deutlicher zu ziehen, was Platz für Gruppen wie die Identitären schuf. Jetzt scheint dies wieder etwas zurückgenommen zu werden, was die Zukunftsaussichten für derartige Gruppen nicht verbessert.

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