"Die Autos werden sich nicht in Luft auflösen"
Niemand", sagt Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G), "niemand wird als Auto- oder Radfahrer geboren." Und doch, so hatte es beim KURIER-Stadtgespräch den Anschein, ist die Stadt derzeit in zwei Lager geteilt: In jenes der Rad- und jenes der Autofahrer. Knapp 100 Leute kamen Mittwochabend in den Josefstädter Florianihof, um über das Thema Radverkehr zu diskutieren. Am Podium saßen Vassilakou, der Fahrradbeauftragte der Stadt Martin Blum und Lydia Ninz, Generalin des ARBÖ. Die stellvertretende Chefredakteurin des KURIER, Martina Salomon, übernahm die Moderation.
Der Unmut war groß, die Stimmung während der zweistündigen Diskussion geteilt. "Die Straßenverkehrsordnung", sagte etwa Irene N. aus dem siebten Bezirk, "muss auch für Fahrradfahrer gelten. In Neubau ist es auf Gehsteigen mittlerweile lebensgefährlich." Andere Besucher pflichteten bei. Einige wenige sprachen von Kampfradlern, andere mehr von einer um sich greifenden Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr. Hintergrund: Die jährlichen Zuwachsraten im Radverkehr liegen mittlerweile im zweistelligen Prozentbereich. Bereits 260.000 Wiener fahren täglich oder mehrmals die Woche mit dem Rad durch die Stadt. Der Platz wird eng – für alle Beteiligten.
Deshalb stimmte auch ARBÖ-Chefin Ninz in den Chor der Kritiker mit ein. Zwar sagt auch sie: "Wien hat in Sachen Radverkehr zweifelsohne Aufholbedarf. Doch es kann nicht sein, dass Verkehrspolitik unter Rot-Grün zur Glaubensfrage wird." Ninz ortet "Konzeptlosigkeit": "Autos lösen sich nicht einfach in Luft auf. Wir brauchen neue Garagen."
Neue Garagen
Es werde weiter Geld für Garagen geben, beteuerte die Vizebürgermeisterin. "Derzeit entstehen etwa zwei Garagen im 16. und eine im 17. Bezirk." Und man werde sich die Entwicklung der nächsten Monate anschauen und ausloten, wo Handlungsbedarf besteht. "Das gilt auch für die Garage in der Geblergasse."
Glaubt man Vassilakou, Blum und einigen Vertretern aus dem Publikum, geht es in der Diskussion um mehr als um Radfahrstreifen und Rüpelradler: "Nach Wien ziehen immer mehr Menschen, d. h. auch immer mehr Autos. Der Platz wird aber nicht mehr." Und gerade weil die Konflikte zwischen Radlern und Autofahrern entschärft werden müssten, bräuchten die Pedalritter mehr Platz.
Und wie soll das Problem der "Rüpelradler", die sich Bürgerinnen wie Astrid S. ("Was passiert mit uns Fußgängern?") kaum bloß einbilden? "Keine Frage: Auch Radfahrer müssen sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Deshalb werden wir das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer mit weiteren Kampagnen schärfen."
Blum versuchte, den Ball flach zu halten: "Es bringt nichts, die Menschen auseinanderzudividieren." Er sagt aber: "Das Problem wird größer gemacht als es ist. 2011 kam es bei Kollisionen zwischen Radlern und Fußgängern in Wien zu 37 Verletzten; zwischen Pkw und Fußgängern wurden mehr als 1100 verletzt." Dennoch müsse das Problem der Gehsteigradler angegangen werden. Am Ende der Diskussion ließ Vassilakou noch mit zwei Vorstößen aufhorchen: "Ich bin dafür, die Radwege in einer klaren Kontrastfarbe durchgängig zu markieren."
Einzig die Finanzierung sei noch offen. "Wir diskutieren nun, ob wir den Bezirken dafür Geld zur Verfügung stellen können." Und: "Mein Ziel lautet, dass in jedem Bezirk Wiens eine fahrradfreundliche Straße errichtet wird."
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