Deserteure: "Heldenplatz zurückerobern"

Rot-Grün will ein Denkmal für Wehrmachtsdeserteure errichten. Eine Arbeitsgruppe soll nun den passenden Standort finden.

Wir waren keine Kameradenmörder. Das waren schon die Standgerichte der Wehrmacht, die jeden auf der Stelle erschossen haben, wenn nur irgendetwas mit seinen Papieren nicht gestimmt hat", stellt Richard Wadani klar. Der 89-Jährige ist einer der noch wenigen lebenden Österreicher, die im Zweiten Weltkrieg aus der Deutschen Wehrmacht desertierten.

In Prag als Sohn österreichischer Eltern geboren und in seiner Kindheit Mitglied bei den Roten Falken, war es für Wadani ausgeschlossen, für das NS-Regime in den Krieg zu ziehen. Seiner Einberufung konnte er aber nicht entkommen. Als Kraftfahrer kam er an die Ostfront und wurde Zeuge von Kriegsverbrechen: "Ich habe gesehen wie Zivilisten erschlagen und gehängt wurden." Mittlerweile in Frankreich, gelang es Wadani, im Herbst 1944 zu den Amerikanern überzulaufen. Kurz darauf schloss er sich der tschechischen Armee an. "Als Österreicher war es einfach meine Aufgabe, gegen Deutschland zu kämpfen."

Im Nachkriegsösterreich fanden Wadani und die anderen Deserteure keine Anerkennung. "Viele haben sich nicht einmal getraut, in ihrer Familie darüber zu sprechen."

Erst 2009 beschloss der Nationalrat die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure. Nun will die Stadt Wien ein Denkmal für sie errichten. Es wäre das erste in ganz Österreich, während es in Deutschland bereits mehr als 30 gibt.

Am Mittwoch tagt unter der Leitung von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) und dem Grünen Klubobmann David Ellensohn zum ersten Mal die Arbeitsgruppe, die in den nächsten Monaten Details zur Ausschreibung und vor allem den Standort klären soll. Geht es nach Wadani, soll das Denkmal auf dem Heldenplatz stehen:
"Dort wurde 1938 der Name Österreich ausgelöscht." Auch Thomas Geldmacher vom Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" ist für diesen Standort.

"Es ist höchste Zeit, dass der Heldenplatz zurückerobert wird." Er biete sich auch wegen seiner zentralen Lage an, denn das Denkmal solle mehr sein als "eine weitere Kranzabwurfstelle, an der man sich ein Mal im Jahr so richtig betroffen fühlen kann".
2013 könnte es fertiggestellt werden. Die Zeit drängt: "Die meisten Deserteure sind schon gestorben", sagt Wadani. "Ich hoffe, dass ich die Einweihung noch erlebe."

Statistik: 1500 Hinrichtungen

Militärjustiz In Deutschland und Österreich geht man von ungefähr 20.000 Personen aus, die zwischen 1939 und 1945 von der NS-Militärjustiz aufgrund von Desertion verurteilt wurden. Hochgerechnet wären rund 2000 Österreicher darunter gewesen, schätzt der Wiener Politikwissenschaftler Walter Manoschek, der eine Studie zum Thema verfasst hat. Ungefähr 1500 davon seien hingerichtet worden. Hinzu kommt noch die Zahl jener, denen die Desertion geglückt ist.

Kommentare