Das Klagelied der Fiaker

Das Klagelied der Fiaker
Ab Sonntag gelten in Wien strengere Gesetze für Fiaker. Rot-Grün will die Tiere schützen. Der oberste Fiaker spricht von "Bevormundung".

Die Fiakerei", stellt Walter Stolber resigniert fest, "ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Mit der viel zitierten Gemütlichkeit ist es längst vorbei." Stolber sitzt an einem Mittwochvormittag in einem kleinen Café nahe der Albertina im ersten Wiener Gemeindebezirk. In seinem Blickfeld seine beiden Gespanne, die hier zwischen Oper und Kaffeehäusern ihren Stellplatz haben.

Der 54-jährige Wiener ist wie schon sein Vater zuvor erfahrener Fiaker und darüber hinaus Sprecher einer stolzen Zunft – doch was noch wichtiger ist: Stolber ist frustriert. "Unser Gewerbe hat ein Ablaufdatum", sagt der Wiener. "Das Geschäft zermürbt mich zusehends." Und die große Fiaker-Reform, die heute, Sonntag, in Kraft tritt, dürfte daran nicht allzu viel ändern, glaubt Stolber.

Engeres Zaumzeug

Mit erstem April legt die rot-grüne Stadtregierung den Fiakern ein deutlich engeres Zaumzeug an. "Es geht uns um den Tierschutz", beteuert Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Künftig dürfen Stellplätze in der Innenstadt nur noch zwischen 10.00 und 22.00 Uhr angefahren werden. Platzkarten werden für gerade und ungerade Tage ausgegeben – passend in roter und grüner Farbe. Den Fiakern ist es dann nicht mehr erlaubt, mit denselben Pferden täglich auszufahren. "So werden die Tiere geschont. Außerdem achten wir auf die Einhaltung von Ruhe- und Fütterungszeiten", sagt Sima.

Stolber sagt: "Wir werden von Politik und Magistrat immer stärker bevormundet." Er spricht von regelrechten Razzien durch Magistrat und Polizei. Im Vorjahr wurden bei 20 Standortüberprüfungen 155 Gespanne kontrolliert. Es setzte 87 Anzeigen. "Was die Politik übersieht", sagt Stolba trotzig, "ist, dass wir selbst am besten wissen, was gut für unsere Tiere ist."

Dabei profitiert ausgerechnet der oberste Fiaker selbst von dem neuen Gesetz. Denn durch die bunten Platzkarten wird die Zahl der Stellplätze von 58 in der Nacht auf Sonntag schlagartig auf 116 verdoppelt. Und da Ruhezeiten eingehalten werden müssen, profitieren vor allem große Unternehmer, die mehrere Pferde im Stall haben, vom neuen Gesetz. Das weiß auch Stolber, der 16 Pferde besitzt.

Kleinere Unternehmer müssten sich wohl nach zusätzlichen Einkünften wie Hochzeitsfahrten umsehen, glaubt der oberste Fiaker. "Im Schnitt verdienen wir übers Jahr gerechnet 1800 Euro netto im Monat. Für viele ist es jetzt nur noch die Hälfte."

Das dürfte wohl auch das Kalkül der Stadtregierung sein. "Unser Ziel ist eine grundsätzliche Reduktion von Pferden und Kutschern", sagt Hermann Gsandtner, Tierschutzombudsmann der Stadt.

Und wie geht es dann mit dem Traditionsunternehmen Stolba weiter? "Meiner Tochter hab’ ich den Job erfolgreich ausgeredet", sagt der Wiener. Und er selbst freue sich schon auf die Pension.

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