Das Borstentier im Visier

Das Borstentier im Visier
Immer wieder kommen die Tiere zu nah an die Stadt und werden dort gejagt. Der KURIER war dabei

Das Wichtigste", sagt Philipp Adami, "ist Geduld", und schiebt dabei sachte einen Zweig weg, der ihn verraten könnte. Während der volle Mond langsam über dem Wald aufsteigt, beginnt für den Forstwart und Berufsjäger der MA49 die Nachtschicht. Seitdem die Wildschweine immer öfter in die Gärten der Häuser am Wiener Waldrand eindringen, müssen Adami und seine Kollegen oft auf die Jagd gehen, um die Tiere wieder in den Wald zurückzudrängen.
In dieser Nacht ist Adami im Wurzbachtal bei Hadersdorf im Westen Wiens unterwegs. Ganz in Grün gewandet, sein Steyr Mannlicher Jagdgewehr geschultert, pirscht er leise durch den Wald und sucht mit dem Feldstecher nach verdächtigen Bewegungen. Bis halb vier Uhr Früh wird der gebürtige Kärntner in dieser Nacht unterwegs sein. "Vieles bei der Jagd ist Gefühlssache", sagt Adami, mit der Zeit wisse man, welche Routen die Tiere wählen. Gespür und Geschick bekomme man aber nur durch lange Erfahrung.

Einmal den Wind in den Rücken bekommen und es heißt "Auf Wiedersehen Wildschweine". Die Tiere sehen zwar relativ schlecht, riechen dafür aber umso besser. Dann heißt es für diese Nacht zusammenpacken. Denn dass die intelligenten Viecher an den Ort zurückkehren, sei unwahrscheinlich.

Vorsicht Jogger

Das Borstentier im Visier

"Das Jagen in Wien ist wesentlich schwerer als anderswo", sagt Adami, vor allem weil man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein müsse. Jeder Schuss sei genau abzuwiegen: "Das Nicht-Schießen ist wichtiger als das Schießen." Was sich anhört wie eine buddhistische Zen-Weisheit, hat einen wichtigen Hintergrund. Nicht erst ein Mal habe ein nachtaktiver Spaziergänger oder ein Jogger einen sicher geglaubten Abschuss in letzter Sekunde verhindert. Es gibt aber auch viele Nächte, wo es trotz bester Bedingungen nichts zu holen gibt.

"Meine Ausbeute ist etwa 1:5", sagt Adami - in Anbetracht der Umstände eine hervorragende Quote. Nicht jedoch, wenn ein ständig nachfragender Redakteur und ein Fotograf die Jagd behindern. Adami verabschiedet sich freundlich, nun muss er alleine weiter.

Nur Profis am Werk

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Forstdirektor Andreas Januskovecz vertraut seinen Mitarbeitern, von Hobbyjägern auf Wildschweinjagd hält er nichts. "Das machen meine Profis", sagt er bestimmt. Die geschossenen Tiere werden an Wildbret-Firmen verkauft, aber auch an lokale Wirtshäuser. Etwa 1,50 Euro bringt ein Kilo, im Schnitt nimmt die Stadt knapp 60 Euro pro Tier ein. "Wegen des Geldes schießen wir sie nicht", sagt Januskovecz.

Gibt es auch Momente, wo man nicht abdrückt? "Ja, man schießt eine Mutter nicht vom Kind weg." Das gebiete die Ethik, aber auch der gesunde Menschenverstand. "Stellen sie sich zehn Frischlinge ohne Führung vor, die führen sich auf wie eine Bande Halbstarker", sagt Januskovecz und quittiert die Vorstellung mit einem lauten Lacher.

Am nächsten Tag der Anruf des Jägers. Wie befürchtet hat er in der vergangenen Nacht kein Glück gehabt. "Das Einzige was ich gesehen habe, war ein Dachs", sagt Adami, der sich aber nicht entmutigen lässt.
Schon bald wird er wieder im Wald unterwegs sein. Auf Wildschweinjagd.

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