Chinesen drängen in heimische Rotlicht-Szene
Ein großer Fall von Menschenhandel wurde vor Kurzem in Österreich aufgedeckt: Bis zu 150 Frauen aus China sollen in Österreich zur Prostitution gezwungen worden sein. Ein Fall, der Aufsehen erregte. Aber auch ein Thema, das die heimischen Ermittler seit Jahren beschäftigt: Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen acht Personen, mit einer Ausnahme allesamt gebürtige Chinesen. Der Hauptverdächtige soll laut den Ermittlern der "Boss der Chinesen-Mafia im Wiener Rotlicht" sein. Die Zahl der chinesischen Prostituierten und Etablissements steigt jedenfalls seit 2012 rasant an.
Aus einer Provinz
Vor allem in Wien ist dieser Anstieg merkbar. "Der Markt ist eigentlich gesättigt, kleine Lokal sperren zu", schildert Wolfgang Langer, Chef des Wiener Prostitutionsreferats. "Chinesische Betreiber übernehmen diese Lokale, renovieren sie und sperren wieder auf. Da ist viel Geld im Spiel." In den neuen Massagesalons arbeiten ausschließlich Chinesinnen – und das zu Dumpingpreisen.
Aktuell sind 351 chinesische Prostituierte in Wien gemeldet (davon haben rund 30 die österreichische Staatsbürgerschaft). Ein Drittel von ihnen stammt aus der Provinz Liaoning. Von den insgesamt 354 Bordellen der Stadt werden 70 von Chinesen betrieben. "Vor ein paar Jahren konnte man sie noch an einer Hand abzählen."
Diesen Trend bestätigt auch Gerald Tatzgern, Leiter der Abteilung Menschenhandel im Bundeskriminalamt. "Wir haben vor zwei, drei Jahren gemerkt, dass es deutlich mehr Chinesinnen in der Sexbranche gibt, die vor allem versteckt in rund 100 Massage-Wohnungen gearbeitet haben", schildert Tatzgern. Offiziell bot man dort etwa "Aura-Lesungen" an.
Diese Massage-Wohnungen hatten vor allem tagsüber geöffnet. Ideal für die Männer – da war daheim keine Ausrede mehr nötig. "Wir haben damals sehr viele Hinweise von Nachbarn bekommen – die sich beschwert haben, dass Fremde vor der Tür standen und Massagen wollten."
13 Lokale wurden seit 2012 in Wien behördlich geschlossen. Mittlerweile sind die chinesischen Etablissements legal. Darauf legen die Betreiberinnen (fast alle sind weiblich, Anm.) wert. Denn mit den Behörden will man möglichst nichts zu tun haben. Und auch die Frauen, die in den Etablissements arbeiten, absolvieren die vorgeschriebenen Untersuchungen.
"Das heißt aber nicht, dass sie nicht Opfer von Menschenhandel geworden sind", betont Tatzgern. Denn: Zum Teil wurden die Frauen mit dem Versprechen nach Österreich gelockt, hier als Kindermädchen oder Nagelpflegerin arbeiten zu können.
In Wien gelandet, nahm man ihnen Gepäck und Pass ab. "Hilfsbereite" Landsleute kümmerten sich um die gestrandeten Frauen – und brachten sie direkt ins Bordell. "Die Frauen stellen sofort einen Asylantrag, zwei Tage später melden sie sich bereits als Prostituierte an", sagt Tatzgern. Wie organisiert man hier arbeitet, zeigt auch das Umfeld: Die Betreiber haben Anwaltskanzleien an der Hand, aber auch Chauffeure und Übersetzerinnen – eine davon wurde bei der Großaktion übrigens festgenommen und sitzt, wie auch zwei Lokalbetreiberinnen, in U-Haft.
Die Frauen schweigen
Die Ermittlungen sind schwierig. Viele Frauen schweigen. "Sie leben großteils in den Lokalen, haben noch nie eine U-Bahn-Station oder einen Supermarkt gesehen", skizziert Tatzgern. Durch die sprachliche Barriere gibt es auch keinen Kontakt zu Nicht-Chinesen. Das Geld liefern sie zum großen Teil an die "Managerinnen" ab, unter deren Kontrolle die Frauen stehen. Trotzdem ist für viele Frauen das Leben hier besser als in ihrer Heimat. "Solange es ihnen nicht ganz schlecht geht, sagen sie nicht aus", erklärt Langer.
Es sind aber nicht nur ahnungslose, junge Chinesinnen, die hier landen. Zum Teil sind es auch Frauen, die bereits in China als Prostituierte gearbeitet haben – dort allerdings illegal. Das bestätigt auch ein Blick auf die Statistik: Rund 60 Prozent der gemeldeten Chinesinnen sind älter als 40 Jahre. In ihrer Heimat sind sie für dieses Geschäft zu alt.
„Seit drei Jahren betreuen wir verstärkt Chinesinnen“, bestätigt auch Evelyn Probst. Sie leitet die Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel der Migranten-Beratungsorganisation „Lefö“ in Wien. Die Erlebnisse, die die Frauen schildern, seien „sehr heftig“: Mit der Hoffnung auf einen Job, etwa als Kellnerin, nehmen sie hohe Schulden für die Reise nach Europa in Kauf – zumeist nicht ahnend, was sie hier wirklich erwartet.
Probst weiß auch, warum so wenige Frauen den Mut haben, Hilfe zu suchen: „Zu Hause haben sie meist extreme Angst vor Behörden. Sie fürchten sich daher auch vor der Polizei hier. Zudem sind sie wegen der hohen Schulden an die Ausbeuter gebunden.“ Daher betont sie: „Es ist wichtig, den Frauen die Angst vor Behörden zu nehmen. Zudem bekommen sie als Opfer von Menschenhandel einen Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen.“
Abteilungsleiterin Eva van Rahden und Sozialarbeiterin Anna Szabo von „Sophie“ erklären: „Im Lauf der Jahre änderte es sich, woher die Frauen schwerpunktmäßig kamen. Vor zehn Jahren kamen viele aus Nigeria. Danach etwa aus Ungarn, Rumänien oder Thailand.“ Nun betreffe es Chinesinnen. Van Rahden weiß, dass es sich lohnt, Hilfe zu suchen: „Von den Nigerianerinnen haben es etwa einige geschafft, nun ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es gibt immer wieder Erfolgsgeschichten.“
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