Bordell-Chef: "Straßenstrich hat Vorteile"

Bordell-Chef: "Straßenstrich hat Vorteile"
Alexander Bauer aus dem Club 28 in der Wiener Felberstraße ist wenig begeistert vom neuen Prostitutionsgesetz.

Rund um den Club 28, am ehemaligen Wiener Felberstrich, ist es seit dem Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetzes sehr ruhig geworden. Vor allem für die Sexarbeiterinnen sei die aktuelle Situation nicht länger zumutbar, so Alexander Bauer, die rechte Hand des Club-Betreibers Fredy Kreuzer. Im Interview gibt der Barmann Einblicke in die Branche und den Alltag Wiener Sexarbeiterinnen.

Ein ruhiger Abend im Club 28 an der Wiener Felberstraße. „In der Weihnachtszeit kommen die Gäste generell später“, erklärt Barmann Alexander Bauer. Der 45-Jährige arbeitet seit knapp zwei Jahren im horizontalen Gewerbe. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Ausschank der Getränke auch die Kontrolle des reibungslosen Betriebsablaufs für Gäste und Prostituierte. „Wir partizipieren nicht daran, was die Frau für ihre Dienstleistung verlangt, sondern kassieren die Zimmermiete und was der Gast konsumiert“, erklärt der Branchen-Quereinsteiger. Der Zimmerpreis beträgt hier zehn Euro für 20 Minuten. Gegenüber der Bar sitzen einige junge Frauen ziemlich gelangweilt auf der Couch. Ein Bauunternehmer ist mit seinen Kollegen hier, um sich nach getaner Arbeit „ein bisschen unverbindlichen Spaß zu gönnen“. Alexander Bauer bringt eine neue Runde Bier, gibt einem älteren Herrn auf die Zimmermiete heraus und stellt beiläufig fest: „Seit dem Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetzes ist hier generell weniger los.“

KURIER.at: Was hat sich seit dem ersten November für die Prostituierten konkret verändert?

Alexander Bauer: Die Felberstraße ist keine Erlaubniszone mehr. Die 20 bis 30 Frauen, die vorher im direkten Umfeld des Club 28 auf der Straße auf Freierkontakte gewartet haben, arbeiten jetzt sozusagen „Indoor“. Früher hatten sie in gewisser Weise ihr Einkommen und die Kundenfrequenz selbst in der Hand. Jetzt müssen sie im Lokal sitzen und warten bis jemand hereinkommt. Dazu gibt es auf engstem Raum eine größere Konkurrenz mit den anderen.

Der Straßenstrich hat also Vorteile für die Sexarbeiterinnen?

Der Strich ist kein Abfallprodukt der Prostitution, sondern ein regulärer Teilbereich. Es gibt eine gewisse Kategorie von Kunden, die es schätzen ohne Zwang einer Konsumation mit einer Frau zu sprechen, etwa um das Service und den Preis abzuklären. Diese Freier sind jetzt vielerorts dazu gezwungen, ins Lokal zu kommen und zumindest ein Getränk zu bestellen – man braucht ja auch ein bisschen Zeit zum Gustieren. Dadurch wird das Geld, das der Gast eigentlich für Liebesdienste ausgeben wollte, natürlich auch nicht mehr.

Bordell-Chef: "Straßenstrich hat Vorteile"

Das neue Prostitutionsgesetz ist auch auf Proteste und Initiativen von Anrainern zurückzuführen. Wie hat das hier auf der Felberstraße ausgesehen?

Vor etwa 18 Monaten hat sich eine Gruppe von rund 20 Anrainern formiert und ist mit zunehmender Intensität gegen die Straßenprostitution vorgegangen. Bei etwa 1400 bis 1500 Anwohnern ist das ein verhältnismäßig kleines Grüppchen, das sogar regelmäßig mit Fackeln „bewaffnet“ die Felberstraße rauf und runter marschiert ist. Das ganze natürlich mit entsprechendem Druck auf die Frauen, die dort gestanden sind. Auch die direkten Konfrontationen sind häufiger geworden. Man hat die Prostituierten immer schlechter behandelt und zum Beispiel Wasser aus dem Fenster geschüttet. Das war schon fast bürgerwehrähnliches Verhalten am Ende.

Aktuell gilt in Wien nur das Gebiet rund um den Prater als erlaubte Zone. Die Empfehlung zum Gebiet Auhof wurde aus Sicherheitsgründen von der Stadt Wien schon wieder revidiert. Ziehen die Prostituierten vom ehemaligen Felberstrich überhaupt in Erwägung, in die neue Erlaubniszone zu gehen?

Die Frauen, die sich natürlich die neue Möglichkeit angeschaut haben, waren alle sehr entsetzt. In den Erlaubniszonen gibt es keine Infrastruktur und keinerlei sanitäre Einrichtungen. Wenn ein Freier mit einer Frau zusammen ist, dann hat weder sie noch er die Möglichkeit, zumindest die Mindesthygiene einzuhalten und sich vorher und nachher entsprechend zu waschen. Mangels geeigneter Infrastruktur passiert der Liebesdienst dort meistens im Auto oder in einer Tiefgarage. Das ist eine dramatische Situation. Auch das persönliche Sicherheitsgefühl ist in den Praterstraßen sehr schlecht. Wenn man davon ausgeht, dass die Frauen die ganze Nacht mit etwas Bargeld in der Tasche herumstehen, dann kann man davon ausgehen, dass sie sich dort keinesfalls wohlfühlen.

Wie wäre es dann mit entsprechender Bewachung, etwa durch die Polizei?

Wenn etwas passiert, dann grundsätzlich im Freierkontakt, also im Auto oder in einer Tiefgarage. Eine Bewachung wäre also keine geeignete Präventivmaßnahme. Das große Sicherheitsbedürfnis der Frauen ist ja auch der Grund, warum sich der Straßenstrich historisch in der Nähe von Stundenhotels gebildet hat. Bei uns hat zum Beispiel jedes Zimmer eine Alarmglocke und wir können in kürzester Zeit regulierend einschreiten und so Eskalationen vermeiden.

Was hat sich für die Freier verändert?

Das neue Gesetz hat auch zu einer großen Verunsicherung bei den Gästen geführt. Das Reizwort dazu ist Freierbestrafung – damit kennt sich der Bürger selbst im Regelfall überhaupt nicht aus. „Wann werde ich bestraft? Wenn ich einem einschlägigen Lokal sitze oder wenn ich hineingehe oder wenn ich davor parke? Muss ich da wirklich jemanden ansprechen oder was um Gottes willen passiert, wenn ich angesprochen werde?“ Das fragen sich jetzt viele. Und wenn wir davon ausgehen, dass bestätigter Weise ein Drittel aller erwachsenen österreichischen, männlichen Bürger mehr oder weniger regelmäßig Liebesdienste in Anspruch nehmen, dann ist das eine relativ große Gruppe, die jetzt planlos gemacht worden ist. Viele sehen auch für sich selbst die Gefahr, dass sie eigentlich unschuldig kriminalisiert werden könnten. Eine prekäre Situation, mit weitreichenden Folgen – auch weil es sich bei den meisten Freiern um verheiratete Männer und Familienväter handelt.

Gibt es einen für den Straßenstrich typischen Freier?

Nein, den gibt es nicht. Der Straßenstrich wird von sämtlichen Gesellschaftsschichten, vom Arbeiter bis zum Bankdirektor, in Anspruch genommen. Das ist wie gesagt eine eigene Kategorie der Prostitution und nicht etwas Billiges oder Schlechtes.

Gibt es Ihrer Meinung nach eine Lösung, mit der alle leben könnten?

Für mich ist schon der Ansatz der Erlaubniszonen ein falscher. Wenn man solche Zonen einrichtet, was ja auch im Gesetz vorgeschrieben ist und entsprechend exekutiert wird, dann muss man diese nach Örtlichkeiten organisieren, wo eine geeignete Infrastruktur gegeben ist. Stundenhotels kann man nicht so einfach verpflanzen wie die Frauen. Im Moment herrscht auch eine trügerische Ruhe, weil die Dienstleistung nicht so intensiv nachgefragt wird. Erstens aufgrund der Verunsicherungen und zweitens, weil in den kalten Wintermonaten immer weniger Frauen auf der Straße stehen. Das hat mit dem neuen Gesetz nicht viel zu tun. Im Frühjahr kommen dann auch jene wieder, die zwischenzeitlich in einem Lokal gearbeitet oder eine Pause gemacht haben. Es ist notwendig allerspätestens bis dahin entsprechende Erlaubniszonen zu finden, weil ansonsten der illegalen Prostitution Tür und Tor geöffnet wird. Auch die Frauen fordern, dass sie zu bestehenden Infrastrukturen zurückkehren können, wo Sicherheit und Hygiene gewährleistet ist. Aus meiner Sicht besteht nicht mehr allzu viel Zeit, um das alles wieder ins Lot zu rücken.

Ist es auch deshalb zur Gründung des Blogs www.wienerstrich.at gekommen, für den Sie und Fredy Kreuzer auch persönlich schreiben?

Ja, das war zuerst auch als Gegenposition zu diversen Anrainerblogs gedacht. Wenn uns Dinge auffallen, die sehr im Argen liegen, dann sprechen wir dort offen darüber. Wir geben damit jedem Interessenten die Möglichkeit, sich über die Sichtweise eines Betreibers oder einer Prostituierten zu informieren. Im Moment reden sehr viele darüber aber nur wenige haben wirklich eine Ahnung. Das horizontale Gewerbe ist leider teilweise immer noch unter dem Tuch einer Halbwelt oder Unterwelt vergraben. Und das ist heute wirklich nicht mehr so...

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