Behinderte darf keine Österreicherin sein

Behinderte darf keine Österreicherin sein
Karina ist 36 Jahre alt und lebt seit 35 Jahren in Österreich. Der Staat verwehrt ihr einen Pass, weil sie nicht arbeiten kann. Laut den Grünen ist es kein Einzelfall.

Und wenn es das Letzte ist, was ich tue", sagt Peter Stieglitz. "Bevor ich abtrete, möchte ich diese eine Sache noch zu Ende bringen." Diese "eine Sache", von der der an Krebs erkrankte Pensionist spricht, lässt ihm keine Ruhe. Seit Jahren kämpft der Wiener für das Recht seiner (nicht leiblichen) Tochter; dafür, dass Karina einen kleinen, roten Pass erhält. Vergeblich. Denn die hiesigen Behörden weigern sich – obwohl die 36-Jährige seit 35 Jahren in Wien lebt und geistig stark beeinträchtigt ist. "Karina wird für ihre Behinderung und dafür bestraft, dass sie keiner geregelten Arbeit nachgehen kann", sagt Stieglitz.

Vor 36 Jahren kam das Mädchen in einem Gefängnis in Uruguay zur Welt. "Die Militärdiktatur steckte ihre Mutter, eine Frauenrechtlerin, ins Gefängnis, wo Karina geboren wurde." Ein Trauma, unter dem das Mädchen bis heute leidet. Amnesty International kämpfte damals um Mutter und Kind. Als Karina ein Jahr alt war, gewährte Österreich der Familie Asyl. "Meine Tochter ist mehr Österreicherin als irgendwas sonst."

Doch wieso fällt es unseren Politikern so schwer, einer Frau wie Ka­rina, die sich in 35 Jahren nichts zuschulden kommen hat lassen, einzubürgern? Und: Ist Karina ein Einzelfall? Alev Korun und Helene Jarmer von den Grünen sagen: "Nein, das schwarz-blaue Staatsbürgerschaftsgesetz aus dem Jahr 2006 bestraft Behinderte und jene, die aufgrund von Unfällen nicht arbeiten können. Für sie ist die österreichische Staatsbürgerschaft unerreichbar."

Schwarz-Blau strich damals einen kleinen Terminus aus dem Gesetz – mit großer Wirkung: Früher bekamen Menschen wie Karina die Staatsbürgerschaft, wenn sie in eine "unverschuldete Notlage" geraten waren. Doch diese "Notlage" gibt es nicht mehr. Wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdient, hat keine Chance. Eine Einzelfallprüfung, so der Tenor damals, sei zu teuer. "Schwarz-Blau hat Menschen, die für ihre Notlage nichts können, bewusst benachteiligt", sagt Korun.

Weitere Fälle sind dokumentiert. Etwa jener eines Irakers, der seit Jahren anerkannter Flüchtling ist, wegen erlittener Folter aber nicht arbeiten kann. Er und andere mehr dürfen von dem roten Pass nur träumen. "Es wird Zeit, die alte Regelung wieder einzuführen", sagt Jarmer. Korun stellte bereits 2009 einen entsprechenden Antrag.


 

Regierung einsichtig?

Karinas Vater sagt: "Wenn ein gesetzlicher Schwachsinn passiert, ist nichts dabei, klüger zu werden und den Schwachsinn zu reparieren." Bei der Kanzlerpartei SPÖ rennt Stieglitz offene Türen ein. Integrations­sprecherin Angela Lueger sagt: "Es wäre wichtig, das Gesetz zu ändern." Immerhin habe auch der Verfassungsgerichtshof das Gesetz scharf kritisiert. "Der Ball liegt bei Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, das Gesetz bis zum Herbst zu reparieren."

Im ÖVP-geführten Innenministerium wurde auf Anfrage zunächst betont: "Derzeit ist es nicht geplant, den Passus wieder ins Gesetz aufzunehmen." Nachdem der Fall neuerlich geschildert wurde, hieß es direkt aus dem Büro von Ministerin Mikl-Leitner: "Wir sind gesprächsbereit und einer Diskussion nicht abgeneigt."

Kommentare