Bald weniger Pfarren in Wien

Kardinal Christoph Schönborn präsentierte das Zukunftsmodell Pfarre neu. Es beinhaltet notwendige Pfarr-Zusammenlegungen und umstrittene Kirchenschenkungen
Zunächst legt Kardinal Schönborn in Migranten-Bezirken mehrere Pfarren zusammen.

Dutzende der aktuell 3126 Pfarren in Österreich werden in den kommenden fünf Jahren von der Landkarte verschwinden.

Kardinal Christoph Schönborn kündigte Donnerstagabend beim Medienempfang der Erzdiözese Wien einen „strategischen Prozess der Reduktion an“. Pfarre neu heißt das Programm und fokussiert sich neben Wien auch auf das Weinviertel sowie den sogenannten Speckgürtel um die Bundeshauptstadt.

In Wien sind vor allem die Bezirke Favoriten, Simmering, Rudolfsheim-Fünfhaus und Döbling betroffen. Zwar gehen die Kirchenaustritte seit 2011 wieder zurück, pendelten sich im Vorjahr mit 52.425 trotzdem auf hohem Niveau ein. Somit gibt es derzeit 5,36 Millionen Katholiken in Österreich. Tendenz fallend. Parallel dazu bereitet der eklatante Priestermangel bereits Probleme bei der Abhaltung von Eucharistiefeiern (Messen).

Hinter den Mauern der Erzdiözese Wien ist die Reduktion von Pfarren bereits in Planung. Der Kardinal bestätigte dabei die – durch Zuwanderung gekennzeichneten – Bezirke 10 und 15: „Ziel ist es, eine bessere, effizientere Präsenz von Christen in einer stark von Migration geprägten Umgebung zu erreichen.“ Schönborn weiter: „Es geht um lebendiges Christentum in einer Zeit, in der die Kirche zwar noch die Mehrheit der Bevölkerung erfasst, in der ihr Kern aber doch eine Minderheit geworden ist.“

Kirchenschenkungen

Demnach sind in Wien weitere Kirchenschenkungen an befreundete Religionen (Orthodoxie) zu erwarten. Doch diese Schenkungen stoßen auf Widerstand der Gläubigen. Beispiel Neulerchenfeld in Wien-Ottakring: Das riesige Gotteshaus sollte im Herbst an die serbisch-orthodoxe Gemeinde übergeben werden. Die Katholiken dieser Pfarre erhoben jedoch im Vatikan Einspruch gegen das Vorgehen der Erzdiözese. Jetzt soll die Kirche erst 2014 übergeben werden.

Die Erzdiözese versucht ihre großen, in ihrer Erhaltung kostenintensiven Gotteshäuser, auch durch Experimente weiter in Benutzung zu halten. So wurde das Gotteshaus „Maria vom Siege“ (mit dem zweitgrößten sakralen Kuppelbau Wiens) an die indische Gemeinde Wiens übergeben. Denn Messen waren in der Kirche am Mariahilfer Gürtel nur spärlich besucht, in unmittelbarer Nähe liegt die größte Abtreibungsklinik der Stadt und das im Umfeld angesiedelte Rotlicht-Milieu ließ die wenigen verbliebenen Gläubigen in andere Pfarren abwandern.

Kritiker der Pfarr-Zusammenlegungen aber orten rechtliche Probleme. Hans-Peter Hurka, von der kritischen Plattform Wir sind Kirche, erklärt: „Eine Pfarre ist selbstständig. Es geht auch um die erwirtschafteten Finanzen und das Personal. Bei Zusammenlegungen verschieben sich die Entscheidungskompetenzen.“ Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien dementiert: „Pfarr-Auflösungen liegen in der Autorität des Bischofs. Kirchenrechtlich fällt das Eigentum an die Erzdiözese. Es gibt weder Gewinner noch Verlierer. Und frühere Pfarrer werden neue Kapläne.“

Bald weniger Pfarren in Wien

Das von Kardinal Schönborn präsentierte Spar-Modell existiert teilweise bereits in der Realität. Als Fundament einer Groß-Pfarre dienen kleinere überschaubare Basisgemeinden ehemaliger, eigenständiger Pfarren.

Schon 1973 wurde von engagierten katholischen Familien und dem Jesuiten Tone Müller die Basisgemeinde Endresstraße in Wien-Liesing gegründet. Die Messen werden in der Erlöserkirche eines aufgelassenen Klosters (teilweise als Wohnbau umfunktioniert) gefeiert.

Diese Gemeinde besteht aus 100 Gläubigen. Sprecher Peter Lenhart erklärt: „Bei uns zählt jedes Mitglied, egal welchen Alters, gleich viel. Der Erlös von drei der vier Kollekten pro Monat fällt der Gemeinschaft zu. Unter anderem auch, um das Gotteshaus zu renovieren.“

Die Messen werden von befreundeten Pfarrern zum Nulltarif gelesen. „Sie kommen aus Margareten, Atzgersdorf und sogar aus Horn“, sagt Lenhart.

Kein Priestermangel

Steht kein Pfarrer zur Verfügung, springen ehrenamtliche Diakone, Pfarrerassistenten oder Laien ein. So ersetzten manchmal Wortgottesdienste die Eucharistiefeiern. Somit kann die Lücke in der pastoralen Betreuung geschlossen werden.

In einem Grundsatzpapier – es wurde 1973 an die Erzdiözese übermittelt – sind die bis heute gültigen Grundsätze definiert. „Wir sind in der Hierarchie der Pfarren zwar ein Nobody, dafür sind wir unabhängiger. Und wir wollen in unserer Gemeinschaft die Botschaft des Evangeliums im täglichen Leben umsetzten“, beschreibt Lenhart.

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