Wenn Folter nur "Unbill" hervorruft
Es ist das siebente Gutachten. Die sechs vorangegangenen hatten Bakary J. eine durch die Folterung ausgelöste schwere Traumatisierung attestiert. Aber die Republik ist auch acht Jahre nach der dunkelsten Stunde polizeilicher Amtshandlungen nicht bereit, das Opfer angemessen zu entschädigen. Deshalb wurde der siebente Sachverständige beauftragt.
Der Psychiater Norbert Loimer konnte bei Bakary J. keine Anhaltspunkte für eine Traumatisierung finden. Die Folterung des damaligen Schubhäftlings in einer Lagerhalle durch WEGA-Beamte, die ihm Knochen brachen und ihn Scheinhinrichtungen unterzogen, habe bloß "Unbill" hervorgerufen. Der Gutachter bemängelte, dass ihm Bakary J. nicht habe erklären können, weshalb er 1997 überhaupt aus Gambia nach Österreich geflüchtet sei und sich dann am 7. April 2006 der Abschiebung widersetzt habe. Wobei Psychiater Loimer über J.s Heimat ohne Fachwissen eine selbstherrliche Einstufung als "sicheres" Land abgibt.
Mundtot gemacht hat sie das nicht. Gerade widerspricht sie Justizminister Wolfgang Brandstetter, der meint, mit seinem Entwurf zum neuen Gebührenanspruchsgesetz mehr (junge) Psychiater als Gutachter anlocken zu können. Wörgötter und andere namhafte forensische Psychiater meinen, von 62 Euro Pauschale pro Untersuchung oder 122 Euro für eine "fachlich komplexe Begründung" könne keiner leben. Im Übrigen sei jede Begründung, mit der in Menschenleben eingegriffen werde, fachlich komplex. Oder sollte es zumindest sein.
Keine Ahnung
Um auf die Sachverständigenliste zu kommen, muss man sich der Prüfung einer Kommission unterziehen: Zwei Gutachter, die schon auf der Liste stehen, prüfen den Kandidaten, ein Richter (seit 2014 wechseln sich mehrere ab) führt den Vorsitz. "Wer die Prüfung besteht, hat deshalb noch keine Ahnung vom Erstellen eines Gutachtens", sagt Wörgötter. Und doch entscheidet er über Kindesabnahme, Berufsunfähigkeit, Entmündigung, Dauer einer Anhaltung. Theoretisch entscheiden freilich Richter, doch verlassen sie sich auf den Gutachter, bei dem sie oft "nicht einmal einen Neurologen von einem Psychiater und diesen von einem Psychologen unterscheiden können."
Streichungen von der Liste sind ganz selten. Da muss schon ein Wirtschaftsprüfer selbst einen Konkurs gebaut haben, um seine Gutachter-Stellung zu verlieren. In den letzten fünf Jahren wurde einem Psychiater die Gutachter-Position entzogen.
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