Auf den Gang abgeschoben

Auf den Gang abgeschoben
Seit Jahrzehnten müssen Patienten tagelang in Gangbetten liegen. Der KAV scheint das Problem nicht in den Griff zu bekommen.

Es war ein Krankenhausaufenthalt, den Jasmin Truzla nicht so lange vergessen wird: Zwölf Tage verbrachte die 29-jährige Wienerin im vergangenen November wegen Blutarmut in der Rudolfstiftung (3. Bezirk), vier Tage davon musste sie in einem Gangbett zubringen: "Der ganze Gang war voll mit weiteren Betten. Dauernd sind irgendwelche Leute vorbeigegangen. Man hatte überhaupt keine Ruhe", erzählt die Frau.

Was sie aber besonders ärgert: "Ich konnte nicht einmal meine Wertsachen einsperren. In der Nacht hab ich meine Handtasche umklammert, schließlich hängen überall Zettel, auf denen vor Diebstählen gewarnt wird." Als dann noch eine Stuhlprobe am Gang hätte vorgenommen werden sollen, verweigerte sie die Untersuchung.

Auf den Gang abgeschoben

Kein Einzelfall: "In der Rudolfstiftung haben wir im Schnitt 20 bis 25 Gangbetten pro Tag, im Extremfall sogar 50", rechnet Personalvertreter Karl Pogats vor. Seit Jahren weise man auf das Problem hin, verbessert habe sich aber nichts, obwohl es eine Weisung aus der Direktion des Krankenanstaltenverbundes gebe, dass es keine Gangbetten geben dürfe.

Ein anderes Spital, dasselbe Bild: "Seit vor zirka eineinhalb Jahren die neue Notaufnahme aufsperrte, kam es zu einem exorbitanten Anstieg der Gangbetten. 30 sind eigentlich schon die normale Zahl, früher war es nur die Hälfte", sagt Günter Wukovitis, Personalvertreter im Wilhelminenspital. Und weiter: "Es handelt sich hier längst nicht mehr um ein saisonales Problem."

Besonders zu leiden habe die Unfallchirurgie, auch wenn es derzeit dort gerade ruhig sei. "Zu Spitzenzeiten stehen dort aber sechs bis sieben Gangbetten." Durch die Enge der dortigen Räume sind durch die Betten auch die Fluchtwege nicht mehr gegeben. "Passieren darf dort nichts", sagt Wukovitis.

Auch Pfleger leiden

Nicht nur die Patienten leiden unter dieser Situation, sondern auch die Menschen, die sie betreuen: Pfleger, die durch die zusätzlichen Betten überlastet sind, bekommen zudem noch als Erstes auch den Ärger der Angehörigen zu spüren, die nicht einsehen können, warum der Patient oft tagelang am Gang liegen muss. "Ich kann nur jedem Betroffenen raten, sich beim Spital zu beschweren", sagt ein Pfleger aus einem Gemeindespital, der namentlich nicht genannt werden möchte. Seine Kritik: Trotz der Überbelegung werde das Personal nicht aufgestockt, eher sei noch das Gegenteil der Fall.

Zum konkreten Fall in der Rudolfstiftung könne man nichts sagen, betont man seitens des Krankenanstaltenverbunds (KAV). Dafür liege er bereits zu lange zurück. Dass es im Wilhelminenspital wegen der Gangbetten zu Sicherheitsproblemen kommt, weist man zurück.

Generell sei aber das Problem mit den Gangbetten nicht so einfach in den Griff zu bekommen: "Als öffentliche Spitäler müssen wir jeden Patienten rund um die Uhr aufnehmen. Andere Krankenhäuser weisen hingegen Patienten ab", sagt eine Sprecherin.

Als Alternative bleibe den öffentlichen Häusern nur übrig, Betten-Überkapazitäten aufzubauen. Doch das würde ebenso auf Kritik stoßen. "Um die Situation zu entschärfen, wird jetzt schon eine interdisziplinäre Belegung durchgeführt." Soll heißen: Patienten, die sonst am Gang liegen würden, werden in "fremde" Stationen gebracht, in denen es leere Betten gibt.

Das Problem dabei: Nicht alle Patienten können aus medizinischen Gründen verschoben werden. Verhindert werden muss auch, dass für das Personal dadurch zu lange Wege entstehen.

Geht es nach Personalvertreter Pogats, soll für die freien Betten eigenes ärztliches Personal (z. B. Allgemeinmediziner) zur Verfügung stehen, die Patienten versorgen können, die nicht allzu schwer erkrankt sind. "Es bräuchte dazu aber auch ein zentrales Belagsmanagement, das 24 Stunden zur Verfügung steht." Letztlich sei aber eine umfassende Systemreform notwendig, damit auch tatsächlich nur jene Patienten im Krankenhaus landen, die die dortige Versorgung auch brauchen.

Für gehörige Unruhe in den Krankenhäusern sorgte der Masterplan für die Wiener Spitäler, der Ende Jänner präsentiert wurde. Um die Versorgung zu straffen und Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, werden künftig jeweils zwei der sechs Gemeindespitäler ein Paar bilden, mit Schwerpunkten, die einander ergänzen. Etliche bestehende Abteilungen könnten verschwinden, fürchtet man in den betroffenen Gemeinde-Krankenhäusern (der KURIER berichtete).

Mittlerweile finden laufend Abstimmungsgespräche mit den Kollegialen Führungen und Abteilungsvorständen der Gemeinde-Krankenanstalten statt. Danach werden Details zu den medizinischen Schwerpunkten in Arbeitsgruppen mit den Primarärzten erarbeitet. "Weiters gab es mit allen Pflegedirektorinnen, Oberschwestern und Oberpflegern einen Informationsaustausch im Rahmen einer Veranstaltung", heißt es im Büro von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) Dieser Prozess werde nach jetzigem Stand bis Ende 2014 dauern. Die eigentliche Umsetzung ist bis 2030 geplant.

"Nägel mit Köpfen"

Für manche geht der aktuelle Diskussionsprozess etwas zu rasch: "Man hat das Gefühl, dass hier versucht wird, sehr rasch Nägel mit Köpfen zu machen", sagt ein Teilnehmer der laufenden Besprechungen. Spannend werde es vor allem werden, wenn die Personalplanung an die Reihe kommt. Es gehe schließlich um die Frage, ob auch Personaleinsparungen vorgesehen sind. "Das ist kein Thema", betont man einmal mehr im Büro der Stadträtin.

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