Anrainer-Aufstand gegen Wettcafés

Kellner Sami Altiok, Geschäftsfrau Emilie Lischka und Portier Wolf Jurian wünschen sich eine Reinprechtsdorfer Straße ohne Wettcafés.
Das Verbot einarmiger Banditen greift. In der Reinprechtsdorfer Straße sehen es viele als Neubeginn.

Tarja Kriesche von der Bürgerinitiative "Republik Reinprechtsdorf" ist vorsichtig optimistisch: "Nach Inkrafttreten des Automaten-Verbots haben wir in der Reinprechtsdorfer Straße nur noch 39 Wettautomaten gezählt. Verteilt auf sechs Wettlokale. Aber die Glücksspielautomaten sind komplett weg und die Kabinenlokale sind nicht mehr zugänglich."

So weit, so gut. Da die Optik der Reinprechtsdorfer Straße in Wien-Margareten aber nach wie vor von (zum Teil geschlossenen) Wettcafés geprägt ist, sehen Stadt, Bezirk und Bevölkerung Handlungsbedarf. Im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsverfahrens können Anrainer und Unternehmer ihre Wünsche für die weitere Entwicklung der Einkaufsstraße artikulieren. Am Montagabend fand deshalb eine "Ideen-Sammlung" statt.

Kontrollen wirken

Zufrieden zeigt sich Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei, die seit Jahresbeginn die Einhaltung des Verbots kontrolliert: "Es zeigt sich, dass die Maßnahme greift", ist er überzeugt. Zuletzt seien immer weniger illegal aufgestellte Automaten angezeigt worden.

Insgesamt hat die Finanzpolizei im Zuge ihrer Razzien seit Anfang Jänner mehr als 90 widerrechtlich betriebene Geräte beschlagnahmt. Nur in wenigen Fällen habe man es mit Wiederholungstätern zu tun, die nach den Kontrollen wieder einarmige Banditen aufgestellt haben. Kein Wunder, bei den hohen Strafen, die bei derartigen Vergehen blühen. Sie machen im Extremfall bis zu 60.000 Euro pro Gerät aus.

Die Angst vor den hohen Strafzahlungen sei laut Helmut Kafka vom Automatenverband der Grund dafür, dass viele Betreiber die Geräte freiwillig abgebaut hätten.

Freilich: Das Problem Spielsucht ist damit noch längst nicht aus Wien verbannt, es verlagert sich nur.

Wohin die Spieler ausweichen, ist für Kafka klar: "Schon seit Jahren sinkt die Anzahl der Münzgewinnspielapparate in Wien, während die Ausgaben für Online-Glücksspiele über den europäischen Durchschnitt gestiegen sind. Dank der Verbotsfanatiker wird das jetzt noch viel schneller gehen."

Verbot reicht nicht aus

In der Reinprechtsdorfer Straße freut man sich zwar prinzipiell über die resolute Glücksspiel-Politik. Ein paar einarmige Banditen weniger sind den meisten Anrainern aber noch zu wenig Veränderung. "Die Wettlokale sind keine schöne Optik", meint etwa Emilie Lischka vom Bekleidungsgeschäft "Die Hose". "Früher gab es hier drei Kinos, und am Abend waren viele Leute unterwegs, die sich unsere Auslagen angeschaut haben. Da gab es noch Bewegung auf der Straße, da war was los. Heute trauen sich die Leute abends nicht mehr raus." Ein Ausweg wären neue Geschäfte, meint Frau Lischka.

Sie schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Nachtportier Wolf Jurian, der sich in der "Republik Reinprechtsdorf" engagiert. Auf seiner Wunschliste stehen ein gefälligerer Branchenmix und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs ganz oben. Statt der Wettcafés hätte Herr Jurian lieber "eine soziale Einrichtung, Galerien, Pop-up-Stores und vor allem eine größere Buchhandlung".

Wünsche, die Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery (SPÖ) mit Interesse verfolgt. Sie will gemeinsam mit der Stadtverwaltung eruieren, welche der Anrainer-Vorschläge aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren umsetzbar sind. Wobei sie im Hinblick auf die Wettcafés aber klarstellt: "Herbeizaubern kann den gewünschten Branchenmix niemand." Politik und Wirtschaft könnten mittels diverser Förderungen bloß Lobbying betreiben. "Letztlich bleibt es aber Sache der Hauseigentümer, an wen sie ihre Geschäftsflächen vermieten."

Mit drastischen Maßnahmen reagieren die Automaten-Betreiber auf das Verbot des Kleinen Glücksspiels in Wien: Der niederösterreichische Konzern Novomatic, der bis Jahresbeginn 1500 der 2700 Automaten in Wien betrieben hatte, hat mit Ende Februar vorsorglich 80 seiner 800 Wiener Mitarbeiter beim AMS angemeldet. Das berichten die NÖN.

Kein Einzelfall: „Uns ist ein weiterer Betreiber mit 30 Automaten bekannt, der seine rund 25 Mitarbeiter ebenfalls beim AMS anmelden musste“, sagt Helmut Kafka vom Automatenverband. Ein Schlag für die Betroffenen, schließlich handle es sich großteils um bereits ältere beziehungsweise nur schlecht ausgebildete Arbeitnehmer, die nur schwer zu vermitteln seien.

Kafka rechnet aber mit weiteren wirtschaftlichen Folgeschäden: „Es gibt in Wien viele kleinere Cafés, die auf die Einnahmen aus den Automaten angewiesen sind. Wir wissen aus Oberösterreich, dass das Verbot des Kleinen Glücksspiels zu einem radikalen Lokalsterben geführt hat.“ Dies könne nun auch in der Bundeshauptstadt passieren.

Auch laut Kafka seien nur mehr „eine Handvoll Automaten“ in Wien in Betrieb.Er will aber nicht ausschließen, dass das Kleine Glücksspiel in versteckten Hinterzimmern vereinzelt nach wie vor angeboten werde.

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