Angst vor Erste Hilfe: 1000 Tote jährlich

Bereits Schulkinder können und sollen eine Herzdruckmassage erlernen, fordern Experten. (Archivbild)
In Österreich ist es um das Erste-Hilfe-Wissen schlecht bestellt.

Ersthelfer sind das wichtigste Glied in der Rettungskette. Rund 1.000 Menschen sterben in Österreich aber jedes Jahr, weil Ersthelfer keine Reanimationsmaßnahmen setzen. Viele haben Angst davor. Zum Thema "Hilft da jemand?" fand am Dienstag in Wien ein Symposium der Ärztlichen Kraftfahrvereinigung Österreichs (AKVÖ) und des ÖAMTC statt.

"Herzdruckmassage als Kulturgut"

"Helfen bedeutet, die Situation richtig einzuschätzen", sagte Werner Kraus, Präsident des ÖAMTC. Bereits Schulkinder können und sollen eine Herzdruckmassage erlernen, forderte Michael Baubin, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. In Wien werden seit dem heurigen Schuljahr alle Kinder ab der dritten Klasse Volksschule in Wiederbelebung unterrichtet. Vergangene Woche verlangten die Landtagspräsidenten den verpflichtenden Reanimationsunterricht österreichweit. Wichtig sei, dass dies jährlich stattfinde, sagte Baubin. "Herzdruckmassage muss Kulturgut werden, so wie Schwimmen, Radfahren, Lesen, Schreiben oder Rechnen", forderte der Vorsitzende des Österreichischen Rats für Wiederbelebung.

Aber auch Kindergartenkinder können schon Erste Hilfe leisten, etwa, indem sie einen Notruf absetzen, so der Experte. Für die Herz-Druckmassage sei das Gewicht ein limitierender Faktor. "Man muss etwa 45 Kilogramm haben, um sie durchführen zu können", so Baubin. Prinzipiell sei die Reanimation eine Technikfrage, die jedoch nichts mit Kraft zu tun hat. In Österreich liegt die Ersthelfer-Rate bei ca. 15 Prozent, in Schweden, Dänemark und den Niederlanden bei 60 Prozent. In diesen Ländern ist Wiederbelebung seit Jahren in den Pflichtunterricht verankert, erklärte Baubin.

Das menschliche Gehirn kann drei Minuten ohne Sauerstoff sein, dann sterben zwei Millionen Hirnzellen pro Minute. Die durchschnittliche Zeit vom Notruf bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes am Patienten liegt bei über sieben Minuten. Beginnen Ersthelfer mit der Wiederbelebung noch bevor der Notarzt kommt, verbessert sich die Überlebenschance um das Dreifache.

Wissenslücken

Im Jahr 2012 wurde europaweit Erste-Hilfe-Wissen von Autofahrern erhoben. In Österreich gab es die höchste Diskrepanz zwischen tatsächlichem Können und Selbsteinschätzung, die Wissenslücken erstreckten sich über die unterschiedlichsten Bereiche. Gut bekannt war jedoch die Notrufnummer 144 - die Absetzung eines Notrufs ist auch die wichtigste Erste-Hilfe-Maßnahme. Prinzipiell muss "zumutbare Hilfe" geleistet werden. Eine Unterlassung der Hilfeleistung ist in Österreich strafbar. Bei einem Verkehrsunfall etwa wird in diesem Fall differenziert - ob Unfallverursacher oder Zeuge. Beim Verursacher ist die Zumutbarkeit "hoch angesetzt", sagte ÖAMTC-Juristin Eva Unger. Nicht-Hilfe wird nur entschuldigt wenn das eigene Leben gefährdet wäre. Beim Unbeteiligten können theoretisch schon wichtige eigene Interessen zur Entschuldigung führen, wie beispielsweise wenn ein Kind von der Schule abgeholt werden muss, erklärte Unger. "Aber den Notruf muss ich immer absetzen, das ist jedem zumutbar", so die Juristin.

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