Akademikerball: Für Polizei "außergewöhnlicher Zustand"

Der Akademikerball wirft seine Schatten voraus. Von allen Seiten hagelt es Kritik auf die Polizei. Das (rechtlich kaum relevante) Vermummungsverbot innerhalb des Gürtels ist nur einer der Aufreger
Polizeipräsident Pürstl sieht bei Akademikerball „Gefahren in allen Bereichen innerhalb des Gürtels“.

Sogar Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SP) musste ausrücken, um „alle Beteiligten zur Besonnenheit“ aufzurufen: „Auseinandersetzungen auf der Straße widersprechen demokratischen Prinzipien“, sagte sie.

Im Vorfeld des Akademikerballs am Freitagabend gehen die Wogen immer höher. Die Fakten: 2000 Polizisten aus allen neun Bundesländern wurden zusammengetrommelt. Drei Demonstrationen sind angemeldet, eine vierte wurde im Vorfeld noch abgesagt. Bis zu 5000 Aktivisten werden erwartet, die Polizei rechnet mit Ausschreitungen, Gewalt und Randalen. Etwa 1500 Besucher werden beim Ball erwartet. Besonders zwischen 18 und 22 Uhr wird die „heiße Zeit“ sein.

Im KURIER nimmt Wiens oberster Polizist, Präsident Gerhard Pürstl, erstmals Stellung zu allen Vorwürfen der vergangenen Tage.

KURIER: Die Sperre beim Besuch von George W. Bush im Jahr 2006 betraf einen kleineren Bereich um die Hofburg als jetzt beim Akademikerball. Ist diese Veranstaltung tatsächlich so stark in Gefahr?
Pürstl: Bush war immer nur an einem Ort, da war nur ein einzelner Präsident gefährdet. Beim Akademikerball sollen Ballgäste laut den Aufrufen überall attackiert werden, wo sie erwischt werden. Die Gefahren betreffen alle Bereiche innerhalb des Gürtels, nicht nur den ersten Bezirk.

Das klingt ja fast so, als ob Sie jedem Wiener am Freitagabend raten, nicht innerhalb des Gürtels auf der Straße zu sein?
Das würde ich so nicht sagen. Man sollte dort aber große Menschenansammlungen meiden. Die Wut richtet sich ja nicht gegen den normalen Bürger, sondern gegen Ballgäste, Polizeifahrzeuge oder vielleicht Geschäfte.

Die Linken werfen der Polizei Parteilichkeit vor, die Journalistengewerkschaft spricht wegen des Aussperrens von Journalisten aus dem Sperrbereich um die Hofburg von „Zuständen wie in der Ukraine“.
Das ist doch alles Unfug. Es steht außer Zweifel, dass ich nicht für eine Partei stehe. Vergangenes Jahr hat mir die FPÖ vorgeworfen, dass ich die Ballgäste nicht geschützt habe. Jetzt habe ich den Vorwurf, ich stecke mit der FPÖ unter einer Decke. Recht muss aber Recht bleiben. Jeder Mensch hat das Recht, unverletzt und unverschmutzt zu einer Veranstaltung zu gehen. Das alles ist ein außergewöhnlicher Zustand in Wien. Bei so einer Gewaltbereitschaft kann ich mich nicht zurücklehnen und schauen, was passiert.

Die Kundgebung der Grünen wurde wegen des Platzverbotes am Heldenplatz abgesagt.
Dass sich die Grünen jetzt aufregen wegen der Demo-Untersagung ist ja nur eine Halbwahrheit. Es ist gesetzlich nicht möglich, dort zu demonstrieren, wo ein Platzverbot erlassen wurde. Wir haben den Grünen attraktive Alternativplätze angeboten – etwa den Maria-Theresien-Platz, das ist in der Nähe der Hofburg und man kann gut hinübersehen.

Wo lag dann das Problem?
Jetzt geht es um Befindlichkeiten. Bei grünen Demos ist bisher nie etwas passiert. Aber diesmal stehen Sicherheitsbelange im Vordergrund. Ich will keine Verletzten in der Stadt. Man muss sich ja nur anschauen, was im Vorfeld bereits passiert ist. Wir wissen, aus welchem Eck diese Angriffe gekommen sind. Für die einen bin ich zu streng, für die anderen ein Schützer der Faschisten. Ich bin in einer Sandwich-Position.

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk wirft der Polizei vor, dass ein Vermummungsverbot „unverhältnismäßig“ sei. Wieso wurde das dennoch erlassen?
Es ist unverständlich, dass ein Uni-Professor sich zu einer Verordnung äußert, ohne die interne Lageeinschätzung der Polizei zu kennen. Niemand kann von seinem Schreibtisch aus so etwas beurteilen. Aber er hat uns ja auch bei der Votivkirche so etwas vorgeworfen und wir haben recht bekommen vor Gericht.

„Die U-Bahn wird reibungslos funktionieren, aber Autofahrer sollten alle Bereich innerhalb des Gürtels meiden“, sagt Oberst Josef Binder von der Wiener Verkehrspolizei. Seit Jahren kommandiert er die Verkehrsmaßnahmen rund um Großereignisse.

Diesmal ist die Lage besonders prekär, denn nicht nur das kleine Gasserlwerk zwischen Hofburg und Graben, sondern der gesamte Bereich rund um die Wiener Innenstadt gilt in diesem Jahr als mögliche „Kampfzone“ zwischen Randalierern und Polizei.

Besonders rund um die geplanten Demo-Schlusskundgebungen um 19 beziehungsweise 20 Uhr dürfte es Scharmützeln zwischen den Lagern geben, heißt es. Deshalb kann es auch kurzfristig zu Problemen beim öffentlichen Verkehr kommen. Straßenabschnitte (etwa am Ring) könnten gesperrt werden. Binder rechnet damit, dass es Auswirkungen auf alle Ausweichrouten und sogar bis auf die Südost-Tangente gibt.

Die drei Citybus-Linien werden am Freitagabend so gut wie gar nicht verkehren, die Straßenbahnen am Ring (1, 2, 62, 72) sowie die Badner Bahn werden ab 15 Uhr je nach Lage kürzer oder länger gestoppt.

Wiener Linien

Für den Freitag sind drei Hauptdemonstrationszüge angemeldet. Zwei der Demonstrationen starten um 16.45 Uhr bei der Universität im Siegmund-Freud-Park, einer der Protestzüge wird sich um 17.30 Uhr in Richtung Stephansplatz bewegen. Der andere startet zur selben Zeit in Richtung Marcus-Omofuma-Denkmal beim Museumsquartier. Diese beiden Protestaktionen sollen um 19.00 Uhr beendet sein. Die dritte Demo der "NoWKR"-Bündnisses ist ab 12.00 Uhr beim Bahnhof Wien-Mitte angemeldet; die Auftaktkundgebung soll um 15.00 Uhr stattfinden. Sie wird sich in Richtung Innenstadt bewegen. Sie soll offiziell um 20.00 Uhr am Stephansplatz enden.

Vergleich mit Bush-Besuch 2006

Akademikerball: Für Polizei "außergewöhnlicher Zustand"

Die Polizeimaßnahmen rund um den rechten Akademikerball am Freitag rufen weiter scharfe Kritik hervor. Auch die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp hat sich am Donnerstag zu Wort gemeldet: Sie pocht auf eine Ausnahme vom Platzverbot am Freitag für Journalisten mit gültigem Presseausweis und sieht sich gar an "Zustände, wie sie derzeit in der Ukraine herrschen" erinnert. Auch das Bündnis "Jetzt Zeichen setzen!" protestiert scharf gegen das weitläufige Platzverbot um die Hofburg, das ähnliche Ausmaße wie beim Besuch von US-Präsident George W. Bush im Jahr 2006 annimmt (siehe Grafiken unten).

"Die freie Berichterstattung über politisch relevante Ereignisse zählt zu den wichtigsten Aufgaben des Journalismus. Wenn Kolleginnen und Kollegen dies verwehrt wird, dann ist das ein Anschlag auf die Pressefreiheit", sagt der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer. Auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) fordert die Verantwortlichen auf, "eine freie und unabhängige Berichterstattung" zu ermöglichen. Journalisten, die sich für die Berichterstattung über den Ball akkreditieren, dürfen den abgesperrten Bereich nur zwischen 20.15 und 20.45 Uhr und in Begleitung eines Pressesprechers der Polizei betreten.

Demo untersagt

Die Vertreter von "Jetzt Zeichen setzen!" kritisieren unterdessen die mit dem Platzverbot einhergehende polizeiliche Untersagung der vom Bündnis geplanten Kundgebung. Die von der Polizei als Alternativen vorgeschlagenen Versammlungsorte wegen Sicherheitsbedenken lehnten sie ab. Der angebotene Kohlmarkt erscheine aufgrund der engen Gasse und der Tatsache, dass dieser wegen des Platzverbotes am Freitag zu einer Sackgasse wird, genauso wenig geeignet wie der Maria-Theresien-Platz. Auf letzterem ist nämlich bereits eine Kundgebung der FPÖ zur selben Zeit angemeldet.

Das Bündnis "Jetzt Zeichen setzen!" wird nun am Freitag gar keine eigene Veranstaltung abhalten, sagte Bündnis-Sprecher Niki Kunrath von den Wiener Grünen. Wer demonstrieren will, könne sich einer der drei angemeldeten Demonstrationszüge (die in Wien-Mitte bzw. beim Schottentor starten) anschließen, so der Mitarbeiter im Grünen Rathausklub.

Offener Brief von ORF-Redakteursrat

Angesichts des Platzverbotes für Journalisten hat sich der ORF-Redakteursrat mit einem offenen Brief an den Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl gewandt. Darin wird gefordert, die Berichterstattung nicht zu behindern und "Journalisten den ungehinderten Zutritt zu ermöglichen".

"Das ist der Versuch einer Zensur, der in einem demokratischen Land unzulässig ist." Mit diesem Vorgehen schade man nicht nur dem Ruf der Polizei, sondern dem der gesamten Republik, heißt es.

Auch den Hinweis auf eine "potenzielle Gefährdungslage" kann der ORF-Redakteursrat nicht nachvollziehen. Das schütze Journalisten nicht, "sondern verunmöglicht ihnen die Arbeit". Daher wird ein uneingeschränkter Zugang gefordert. "Es gibt keinen Grund sich vor Journalisten zu fürchten, die ihrer Arbeit nachgehen."

Bilder von den Demos im Vorjahr

Akademikerball: Für Polizei "außergewöhnlicher Zustand"

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Akademikerball, Demonstrationen…
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Demonstration, Akademikerball…
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Member of the European Parliament Andreas Moelzer
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WIEN: DEMONSTRATION GEGEN DEN AKADEMIKERBALL DER F
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Demonstration, Akademikerball…
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Kritik an Vermummungsverbot

Viktoria Spielmann (Grüne und Alternative StudentInnen/GRAS) von der ÖH spricht angesichts des Verbots der Kundgebung von einer "bodenlosen Frechheit". Auch verstehe sie nicht, wieso das Platzverbot "auf die halbe Innenstadt angewendet wird". Dieses entbehre "jeder vernünftigen Grundlage". Man werde auch den Bescheid, der die Versammlung untersage, bis zu den Höchstgerichten bekämpfen. Das von der Polizei ausgesprochene Vermummungsverbot für die Bezirke eins bis neun stellt für sie eine Maßnahme dar, "die schon einem Polizeistaat gleichkommt". Andernorts wird das Verbot, das theoretisch auch auf Passanten angewandt werden dürfte, bereits durch den Kakao gezogen (siehe Bericht unten).

Kritik an dem ausgedehnten Platzverbot übt auch Dora Schimanko, die als Kind vor den Nazis nach London geflohen war sowie der Filmemacher Fadian Eder, der angesichts des Balles von einer "antisemitischen Provokation" sprach. Auch Rudolf Sarközi, Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma, kritisiert die polizeilichen Maßnahmen. Kunrath meint, das demokratische Österreich werde vom Heldenplatz ausgesperrt, während die Ballbesucher mit dem Auto durch das Burgtor fahren dürfen.

Auch Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) ist alarmiert. Er fordert, dass die Hofburg künftig nicht mehr für die Veranstaltung zur Verfügung gestellt werde: "Die Hofburg-Betriebsgesellschaft täte gut daran, den Ball als das zu behandeln, was er ist: Ein Vernetzungstreffen für Rechtsextreme an einem der symbolträchtigsten Orte der Republik", so Mailath-Pokorny in seiner Funktion als Präsident des Bundes sozialdemokratischer AkademikerInnen (BSA) in einer Aussendung. Dass die FPÖ "auch nach massivem öffentlichen Gegenwind fortfährt, einen Ball zu veranstalten, für dessen Titel sie alle AkademikerInnen vereinnahmt", sei "anmaßend und zynisch".

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