Justiz droht die nächste Schlappe

Der Staatsanwalt liest aus den Transparenten Gewaltbereitschaft ab.
Deutscher Student will kein Anführer sein, Anklage wegen Landfriedensbruch ist in Beweisnotstand.

Tierschützerprozess, Rapid-Randale – mit dem Verfahren um die Demonstrationen gegen den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball am 24. Jänner droht der Justiz die nächste Schlappe.

Nach viereinhalb Monaten U-Haft wird heute, Freitag, dem 23-jährigen Josef S. im Wiener Landesgericht der Prozess wegen Landfriedensbruch gemacht. Im Internet wurde zur Solidaritätskundgebung "Free Josef" aufgerufen. Der Student aus der deutschen Universitätsstadt Jena soll laut Anklage als Anführer von rund 500 "nicht ausgeforschten Mittätern" des sogenannten Schwarzen Blocks Polizeibeamte attackiert und ein Polizeifahrzeug beschädigt haben. Mit Beweisen dürfte sich der Staatsanwalt allerdings schwer tun. Diese beschränken sich zum Teil auf Beobachtungen: Da Josef S. bei der Kundgebung am Graben in der Wiener City auf der linken Seite lief, und es vor allem auf dieser Seite zu Sachbeschädigungen gekommen ist, "ist davon auszugehen, dass der Angeklagte bei diesen Beschädigungen zumindest anwesend war" (Anklageschrift).

Stimmenvergleich

Hauptbelastungszeuge ist ein WEGA-Beamter, der Josef S. in einem ZiB-2-Beitrag als Rädelsführer wiedererkannt haben will, der einen schweren Mistkübel gegen die Exekutive geschleudert habe. Anwalt Clemens Lahner, der den Linksaktivisten gemeinsam mit der Anwältin Kristin Pietrzyk aus Jena verteidigt, beantragte die Beischaffung der ORF-Videos. Darauf sei das Gegenteil zu sehen, sagt Lahner, nämlich dass Josef S. einen auf sich zu rollenden Mistkübel aufhebt und wieder aufstellt. Festgenagelt werden sollte der Angeklagte auch mit einem Handy-Mitschnitt des WEGA-Beamten. Darauf sei Josef S. zu hören, wie er die Komplizen mit Rufen wie "weiter, weiter, Tempo" anfeuere. Ein Stimmenvergleichs-Gutachten ergab allerdings, dass es nicht seine Stimme ist.

Ein Senatsvorsitzender des Oberlandesgerichts hat erst kürzlich vor zu großzügiger Auslegung des mit bis zu drei Jahren Haft bedrohten Delikts Landfriedensbruch gewarnt. Nicht jeder Anwesende bei einer Demo könne schon als Täter angesehen werden. Staatsanwalt und Gericht müssten sich durch genaues Studium der vor Ort aufgenommenen Videos einen Eindruck vom "lebendigen Ablauf" verschaffen.

Anwalt Lahner hat deshalb die Beischaffung der Videos von Polizei, Privatfernsehsendern und aus Überwachungskameras beantragt. Sollte der Prozess deshalb vertagt werden, steht ein Enthaftungsantrag auf dem Programm. Eine Richterin hat die Verlängerung der U-Haft im Februar unter anderen damit begründet, dass sich der Angeklagte auf freiem Fuß erneut gewaltsam an einer Demo beteiligen könnte, zum Beispiel an der Demo gegen den Opernball. Seit 2010 ist die Opernballdemo freilich Geschichte.

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