Auf der Tangente droht der Dauerstau

Sanierungsfall Südost-Tangente: Freitag in einer Woche wird der Abschnitt um den Verteilerkreis zum Nadelöhr. Die Betonwände der Auf- und Abfahrten müssen dringend gesichert werden.
Der Grund: dringende Sanierung von Betonwänden. Die Asfinag warnt vor Verkehrskollaps, ÖBB sind gefordert.

100.000 Kfz täglich, 10.000 Fahrzeuge in der Nacht. Die Tangente (A23) wird ab 15. November zum Nadelöhr. Völlig überraschend. Mittwochabend ging die Asfinag an die Öffentlichkeit. Denn im Bereich des Laaerberg-Tunnels zerbröseln die Stützmauern der Zu- und Abfahrten zum Verteilerkeis in Wien-Favoriten.

Drei Monate lang werden in beiden Fahrtrichtungen die Fahrbahnen verengt, in der Nacht (von 22 bis 6 Uhr) steht jeweils nur ein Fahrstreifen zur Verfügung.

Asfinag-Vorstandsdirektor Alois Schedl warnt vor einem Verkehrskollaps: „Wir können nur appellieren, großräumig auszuweichen oder Öffis zu benutzen.“ Die Angst vor einem Verkehrszusammenbruch geht so weit, dass die ÖBB einspringen müssen. Schedl verhandelte mit dem Bundesbahnen: „ÖBB-Direktor Kern sicherte uns den Einsatz von verstärktem Wagenmaterial auf den Pendlerstrecken aus dem Süden zu.“

Der Grund für die plötzliche Großbaustelle liegt im Einsturz einer Stützmauer auf der A13 (Brenner-Autobahn) im März 2012. Mauerteile krachten auf einen vorbeifahrenden Lkw. Der Lenker kam dabei ums Leben. Daraufhin überprüften Experten bundesweit 49 ähnliche Konstruktionen (Errichtung vor 1993). Das Ergebnis ließ die Alarmglocken läuten: Bei 16 dieser Bauwerke wurden eklatante Mängel entdeckt und bis dato saniert.

Sonderfall A23

Die A23 gilt jedoch als Sonderfall. Denn bei keinem Autobahn-Abschnitt Österreichs stieg die Fahrzeug-Frequenz dermaßen rasch (siehe Artikel unten). Als erste Maßnahme verfügte die Asfinag auf den Laaerberg-Rampen ein Lkw-Überholverbot.

Die in einer Woche startenden Bauarbeiten gelten als hochsensibel und organisatorisch extrem schwierig. Die zerbröselnden Mauern müssen mit Anker-Verstrebungen verfestigt werden. Dazu aber sind große Bohrmaschinen notwendig. Asfinag-Chef Schedl: „Es gilt, über das gesamte Bundesgebiet dieses Gerät zu beschaffen. Umso mehr Maschinen wir organisieren können, desto kürzer dauern die Bauarbeiten.“

Aktuell startet auch die Sanierung der Tangente im Bereich Knoten-Inzersdorf. Auf der Stelzenautobahn brechen die Betonstützen zusammen. Die Instandsetzung dieses Abschnittes dauert mindestens fünf Jahre. Ob die Tangente vor 40 Jahren „zu billig“ gebaut wurde, antwortet Asfinag-Vorstand Schedl: „Nach heutigem Stand hätte man anders gebaut. Aber auch damals galt die Kosten-Nutzen-Rechnung.“

Aktuelle Verkehrsnachrichten

2018 soll der Startschuss für den dreispurigen Ausbau der A4 zwischen Fischamend, NÖ, und Neusiedl/See, Bgld., fallen.

Das sei zu viel zu spät, meinen Wirtschaftstreibende und Politiker aus der Region. Schon jetzt seien die A4 sowie angrenzende Straßen überlastet. Fast täglich gebe es Unfälle und Staus. Neben der Gefahr für Menschenleben orten sie auch massive wirtschaftliche Nachteile. „Jede Stunde, die ein Lkw im Stau verbringt, verliert das Unternehmen Geld“, sagt Alexander Petznek, Wirtschaftsstadtrat aus Bruck/Leitha. Mit Gabriele Jüly, Bezirksvorsitzende Frau in der Wirtschaft hat er eine Initiative gestartet, um einen Ausbau bereits 2015 zu erreichen. Bisher hätten 1700 Menschen die Petition unterzeichnet.

Der KURIER hat gemeinsam mit ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger elf Tipps für eine stressfreie Zeit in der Blechlawine zusammengestellt. Oberste Devise: Ruhe bewahren.

1. Quengelnde Kinder oder die grantige Oma müssen an Bord unterhalten werden: Musik, eine DVD-Station fürs Auto, ein gutes Buch, eine Zeitung oder Spiele helfen, die Stimmung an Bord während eines Staus zu heben.

2. Neutrale Gesprächsthemen suchen: Beziehungsstreits oder Standpauken zum letzten "Fleck" in Mathe am besten verschieben. Reden Sie doch lieber über die schöne Landschaft! Oder die hässliche Delle am Auto vor Ihnen.

3. Nach Möglichkeit immer im Auto bleiben und nicht Arme oder Kopf aus dem Fenster strecken - beim aktuellen Wetter sollte dies aber eh nicht allzu schwer fallen. Sollte der Stau einmal länger dauern, kann man sich durchaus auch auf der Autobahn die Füße vertreten. "Aber nur nicht zu weit vom Auto entfernen! Und unbedingt die Warnweste anziehen", rät Expertin Seidenberger.

4. Bei längerem Verkehrsstillstand sollte man grundsätzlich den Motor abstellen. Ist es draußen zu kalt, kann man ihn auch längere Zeit laufen lassen, zwischendurch aber immer wieder abstellen, rät die Expertin. Generell ist es ratsam, die Reise mit vollem Tank zu starten. Sehr wichtig: Bei stockendem Verkehr muss stets eine Rettungsgasse gebildet werden. Mehr Infos dazu hier.

Auf der Tangente droht der Dauerstau
Der Urlauberverkehr nach Deutschland wird wohl noch zunehmen.

5. Werfen Sie Ihren Zeitplan ruhig über Bord! Schließlich fahren Sie ja in den Urlaub und nicht zum nächsten Geschäftstermin. Sollte es tatsächlich einige Stunden länger dauern, einfach im Hotel anrufen und sagen, dass man später kommt. "Im Stau beginnt eine neue Zeitrechnung", so Seidenberger.

6. "Stauzeit ist Entspannungszeit!", lautet die nächste These der Verkehrspsychologin. Soll heißen: Legen Sie während der Standzeit ruhig mal ein kleines Nickerchen ein - sofern sie ihre Kinder lassen.

Auf der Tangente droht der Dauerstau
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7. Ohne Proviant wird jeder Stau noch mehr zur Qual. Deshalb ausreichend Getränke, Essen und "Stimmungsmacher" wie Schokolade (oder Karottensticks für Gesundheitsbewusste) mitführen. Bitte auch nicht auf notwendige Medikamente oder Kindernahrung vergessen.

8. Wenn Sie alleine unterwegs sind, können Sie die Wartezeit auch mit einem Plauscherl oder einer Partie Schnapsen mit dem Staunachbarn überbrücken. Auch Tauschgeschäfte von Autotür zu Autotür (z.B. Schokolade gegen Wurstsemmel) sind möglich.

9. Die Rücksitzbank ist kein Kofferraum. Deshalb das Auto nicht zu voll räumen und, sofern vorhanden, eine Dachbox verwenden.

Auf der Tangente droht der Dauerstau
Dr. Steven Russell remotely checks the the glucose levels of a study subject in real time from his car in Acton, Massachusetts, before heading to the hospital to meet the subject July 23, 2011. Dr. Russell is working with Ed Damiano, whose 12 year-old son David was diagnosed with type 1 diabetes when he was 11 months old, to develop a bionic pancreas that will automatically control blood glucose in people with type 1 diabetes. That technology could make a major difference to the three million Americans with the disease who must vigilantly monitor their blood sugar, even at night, and risk deadly consequences if they fail to notice a dangerous change in time. A fresh confrontation is about to break open this week as the U.S. Food and Drug Administration lays out a path toward regulatory approval, expected as early as Thursday. To match Insight DIABETES/ Picture taken July 23, 2011. REUTERS/Brian Snyder (UNITED STATES - Tags: HEALTH SCIENCE TECHNOLOGY)

10. Bei der Abfahrtszeit nach dem Biorhythmus des Fahrers/der Fahrerin richten. "Es bringt nichts, wenn man sich um 3 Uhr in der Früh aus dem Bett quält und dann im Auto nicht leistungsfähig ist", rät die Expertin.

11. Verkehrsinformationen im Radio oder am Smartphone mitverfolgen, zum Beispiel hier. Aber Achtung: Auch die Ausweichrouten sind meist verstopft. Also nicht alles glauben, was das Navi vorschlägt. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, auf der Autobahn zu wenden oder rückwärts zu fahren. Gute Fahrt!

Die Wiener Südost-Tangente war im eigentlichen Plan des Autobahnnetzes nur als Zubringer gedacht. Das tatsächliche Herz wäre eigentlich die Gürtel-Autobahn geworden, doch diese wurden Ende der 1970er-Jahre durch Proteste verhindert. Ähnliches gilt für die Verlängerung der Westautobahn bis zum Karlsplatz.

Von den einst hochtrabenden Plänen der Nazis, deren Trassenvorschläge von 1937 bis heute mehr oder weniger befolgt werden, blieben am Ende nur drei halbfertig gebaute Brücken und viele Pläne. Durch diese wurde die A 23 aber die wichtigste Ader in Wiens Zentrum. Denkmal für die einst illusorischen Pläne ist noch immer die gesperrte Ausfahrt Simmering – hier sollte eigentlich die Gürtel-Autobahn angeschlossen werden.

Für 36.000 Fahrzeuge

Heute wäre so etwas wie die Südost-Tangente wegen UVP-Verfahren ohnehin nicht mehr machbar, wissen Experten. Der erste Abschnitt der A 23 wurde wenige Tage vor Weihnachten im Jahre 1970 eröffnet, es war der Bereich zwischen Inzersdorf und dem Knoten Favoriten. Ausgelegt wurde sie für 36.000 Fahrzeuge pro Tag, heute sind es bis zu 200.000.

Normalerweise sind Autobahnen für eine Lebensdauer von maximal 20 Jahren ausgelegt. Doch die Tangente traute sich niemand anzufassen, war sie doch die wichtigste Straße des Landes. Kluge Köpfe erfanden deshalb die kuriosesten Möglichkeiten. Eine davon war das so genannte Fly-over, eine transportable Brücke. Mit dieser konnten zumindest die beschädigten Zwischenfugen getauscht werden. 2005 gelang es bei laufendem Betrieb zwischen St. Marx und Prater eine weitere Fahrspur dazuzubauen.

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