Pro & Contra Zeitumstellung: Die Uhr tickt

Noch gehen die Uhren nach der Regel: zwei Mal jährlich um eine Stunde umstellen
Bis zu neuer Regelung dauert es noch Jahre, aber die EU muss nun prüfen.

Alle habens’s schwer, wenn am 25. März die Uhren wieder eine Stunde vor gestellt werden. Aber Frauen haben’s schwerer. Denn fast jede Dritte leidet unter gesundheitlichen Problemen, wenn europaweit zwei Mal jährlich die Zeit umgestellt wird. Schlafstörungen, Leistungsabfall, erhöhtes Herzinfarktrisiko. Bei Männern hingegen, so belegt es eine Studie der deutschen Krankenkasse DKA, ist es nur jeder Fünfte. Von der Qual der Schüler, die sich ab Frühlingsbeginn noch eine Stunde früher aus dem Bett schälen müssen, gar nicht zu reden.

Schluss mit der halbjährlichen Prozedur des Umstiegs von Sommerzeit zu Winterzeit und wieder zurück – diese Forderung wird auch in Österreich quer durch alle Alters- und Berufsklassen immer lauter. Nur: Abschaffen könnte Österreich, sofern die Regierung das überhaupt wollte, die Zeitumstellungen nur im Gleichklang mit den anderen EU-Staaten. Nach der seit 2001 geltenden Regelung muss für alle EU-Mitgliedsstaaten die Uhrzeit einheitlich sein.

Nicht alle sind damit glücklich, und der Widerstand gegen die Zeitumstellung wächst.

Kommission muss prüfen

Im EU-Parlament kämpfen Abgeordnete quer durch alle Fraktionen für die Abschaffung der halbjährlichen Umstellung. Gestern, Donnerstag, verbuchten sie einen ersten Teilerfolg. In einer mit großer Mehrheit angenommen Entschließung forderten sie die EU-Kommission auf, die Zeitumstellung gründlich zu überprüfen – und dann die Regeln nötigenfalls zu ändern. Ein Antrag, die Sommerzeit gleich ganz abzuschaffen und zur Normal-, also Winterzeit zurückzukehren, fiel hingegen durch.

Doch so viel Bewegung in der Sache war noch nie. Der EU-Kommission, Hüterin der Gesetze in der EU, war schon bisher egal, ob sich die Uhren in der Union nach der Sommerzeit oder der Winterzeit drehen – nur einheitlich muss es sein unter den 28 EU-Staaten. Grünes Licht für eine neue – in dem Fall alte – Zeitrechnung müssten die Mitgliedsstaaten geben. Bis sie aber zu einem Beschluss kommen, werden selbst im günstigsten Fall mindestens zwei Jahre vergehen. Denn im Augenblick werben nur Finnland und Polen für eine Änderung. Wobei man in Helsinki generell für eine Abschaffung der Umstellung eintritt, Polen aber will den ganzjährlichen Umstieg zur Sommerzeit.

Der österreichische EU-Abgeordnete Heinz Becker (ÖVP) kämpft seit Jahren für ein Ende der Zeitumstellung. "Diese Wechsel auf Sommer- bzw. Normalzeit bringen nicht nur keinerlei Energieersparnis, sondern erhebliche Gesundheitsrisiken, speziell bei Kindern und älteren Menschen, und dazu noch hohe Kosten für die Wirtschaft."

Höhere Unfallzahlen

Die erhoffte Energieersparnis, auf die man bei Einführung der Sommerzeit gesetzt hatte, stellte sich nie ein. Stattdessen gibt es nur negative Effekte, führen die Gegner der Zeitumstellung an: Tiere bringt die Verschiebung um eine Stunde aus dem Tritt, Millionenkosten entstehen durch Fahrplanänderungen, die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr steigt laut Studien in der ersten Woche nach Einführung der Sommerzeit um fast 30 Prozent. "Bringen die Zeitumstellungen also überhaupt etwas?", fragt Becker und gibt auch gleich die Antwort "Nein, nur Nachteile."

Eingeführt wurde die Sommerzeit erstmals während des Ersten Weltkrieges, danach aber bald wieder abgeschafft. 1940 setzten die Nationalsozialisten die Sommerzeit wieder ein, in Österreich stieg man 1948 wieder auf Normalzeit um. Erst nach der Ölkrise der 70er-Jahre, als man händeringend nach Möglichkeiten des Energiesparens suchte, führten mehr und mehr europäische Staaten die Sommerzeit wieder ein. Österreich folgte 1980.

"Kann ich eine Stunde kürzer oder länger schlafen?" oder "Wird die Uhr nach vorne oder nach hinten gestellt?" – mit einer Abschaffung der Zeitumstellung wären zumindest diese mühsamen Fragen vom Tisch, das Rätselraten hätte endlich ein Ende. Auf die berechtigte Frage "Wieso braucht man das eigentlich?" kennt allerdings nur selten jemand eine produktive Antwort.

Gerade einmal ein Viertel der Weltbevölkerung ist vom Phänomen Zeitumstellung "betroffen". Der große Rest kommt ohne zurecht, und lebt so seit – naja, schon sehr lange. In Afrika, Asien und Südamerika gibt es kaum ein Land, das die Zeit umstellt, geschweige denn, dies für notwendig erachtet. Aber wieso wird dieses Prozedere – speziell in Österreich – von vielen Menschen noch immer für dermaßen wichtig gehalten? Liegt das daran, dass bei uns alles immer erst ein bisschen später ankommt als anderswo?

Aber jetzt mal im Ernst: Die Zeitumstellung hat Auswirkungen auf den Biorhythmus. Da sich der nach dem Sonnenlicht richtet, kommt es zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Die Folgen wird man spätestens dann bemerken, wenn man am Morgen danach plötzlich im Kofferraum des Vordermannes pickt.

Wer sich bis jetzt im Sommer abends am Donaukanal aufgehalten hat, wird es auch weiterhin tun – dagegen kann nicht einmal die Zeitverschiebung etwas ausrichten. Vorteile hat eine Abschaffung für morgendliche Gassigeher: Wer in der Früh bei Tageslicht mit Waldi vor die Tür geht, kann vermeiden, den Tag mit einem Tritt in ein grausliches Hundstrümmerl zu starten. (Sarah Dorfstätter)

Die Russen haben es bereits versucht. In Moskau wurde am Rad der Zeit gedreht, das gesamte Land musste nach der Sommerzeit leben. Ganze drei Jahre dauerte der "ewige Sommer", viele Russen warteten im Winter stundenlang im Dunklen auf den Sonnenaufgang, bis allen dämmerte, dass hier etwas schief lief.

Der EU steht das noch bevor, sie überlegt die ach so qualvolle Sommerzeit zu streichen. Wie immer gibt es passende Studien – einige meinen angeblich, dass die Zeitumstellung urböse ist. Jahr um Jahr versuchte auch die KURIER-Chronik-Redaktion auf Wunsch ihrer Ressortleiter vergeblich zu bestätigen, dass die Zahl der (Verkehrs-)Unfälle nach der Zeitumstellung steigt. Irgendeine Untersuchung solle dies zwar belegen, einer ordentlichen Recherche bei Polizei, Versicherungen oder Automobilclubs hielt diese These aber niemals stand.

Übrig bleibt lediglich ein kleiner Jetlag am Sonntag, und nach ein oder zwei Tagen hat man sich an die Zeitumstellung gewöhnt. Belohnt werden wir alle damit, dass wir im Sommer täglich eine Stunde Sonnenlicht mehr genießen können. Jeder kann pro Jahr also drei volle Tage länger in einem sonnigen Gastgarten sein Bier trinken oder flanieren gehen.

Im Juli geht die Sonne etwa um 20.45 Uhr unter. Wird die Sommerzeit gestrichen, dann wird es künftig um 19.45 Uhr finster. Im Gegenzug dürfen wir eine Stunde länger schlafen, wenn es hell ist. Die Sonne geht künftig um vier Uhr auf statt um fünf (wer auch immer das mitbekommt). Toll nur für jene, die ihren Hund beim morgendlichen Gassi gehen künftig besser sehen möchten. (Dominik Schreiber)

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