Weltweite Wolkenschiebereien
Kaum sind die heißesten Junitage seit Menschengedenken überstanden, schüttet es in Österreich wie aus Schaffeln. Zusätzlich stürzten die Temperaturen ab.
Ist das noch normal, dieser schnelle Wechsel, dieses Heiß-Kalt in Rekordtempo? Oder, fragen Verschwörungstheoretiker, wird das Wettergeschehen von den Regierungen gesteuert, warum auch immer?
Der Gedanke hat einen wahren Kern. Am Wetter wird seit Jahrzehnten herumgedoktert, konkret: seit dem Jahr 1946. Damals fand der amerikanische Chemiker Irving Langmuir heraus, dass Siberjodid eine ähnliche Oberflächenstruktur wie Eis aufweist – ideale Kristallisationskeime, an die sich Wasser anlagert, sodass man eine Wolke künstlich abregnen lassen kann.
Die größten Wetter-Schummeleien und -Manipulationen der jüngeren Vergangenheit kurz zusammengefasst:
Russland
Als sogenannte „Kondensationskeime“ für die Bildung der Schneekristalle sollen die Wolken mit Silberjodid, flüssigem Stickstoff, Trockeneis und feinem Zement „beimpft“ werden.
Die Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking 2008 fand bei bedrohlichen 90 Prozent Luftfeuchtigkeit statt. Chinas Regenmacher feuerten laut der staatlichen Presseagentur 1.104 Raketen mit Silberjodid in die Regenwolken vor der Hauptstadt. Die 91.000 Menschen im Nationalstadion bekamen von der heranrückenden Wetterfront nichts mit.
Vielleicht brauchen die USA Gates Hilfe nicht. Schwefelpartikel und Feinstaub aus Industrieabgasen sind offenbar in der Lage, Wirbelstürme zu bremsen. Wenn große Mengen Industrieabgase ausgestoßen werden, treten weniger Hurrikane auf. Das haben Simulationen ergeben, berichtet Nature Geoscience.
Die Verbesserung der Filteranlagen hilft der Umwelt, der gesamtwirtschaftliche Schaden nimmt aber sogar zu, erläutert der deutsche Johannes Quaas von der Universität Leipzig.
Nicht jeder menschliche Eingriff ins Wettergeschehen ist also sinnvoll. Der Meteorologe Otto Svabik (siehe Interview) erinnert sich an einen Fall in Kärnten. Eine Gemeinde wollte ihre Chancen im Wintertourismus steigern, in dem sie Schnee-Wolken anzapfte. „Ich habe ihnen gesagt: Bitte, bitte, tut das nicht, das gibt Krieg – weil darunter die Schneeversorgung des nächstens Tals leidet.“
Rund 200 Meter unter der Wolkenbasis öffnen die Hagelflieger ihre Generatoren. Der Silberjodid-Rauch wird, für die Insassen des Flugzeugs gut sichtbar, durch den sogenannten „Aufwindschlauch“ in die Wolke hineingezogen, erläutert Otto Svabik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Der Forscher hat die Hagelflieger in der Steiermark und Österreich in einem 20-jährigen Langzeitversuch wissenschaftlich begleitet und beschreibt die Situation im Flieger bildlich. „In der Wolke selbst, wenn sie da hineingeraten, wird’s schiach. Das ist wie im Aufzug, 40 m pro Sekunde rauf, 30 m pro Sekunde runter.“
KURIER: Wie funktioniert die Hagelabwehr?
Otto Svabik: Die Idee wurde in den 1950er-Jahren erstmals im Kaukasus ausprobiert und in den 1960er-Jahren dann in den USA. In der Steiermark wurden früher Bodenstationen, sogenannte Brenner eingesetzt, später dann Hagelflieger im Großraum Krems-Langenlois und im oststeirischen Hügelland. Die Annahme ist: Wenn ich die Anzahl der Kondensationskeime in der Wolke künstlich erhöhe, dann bilden sich nicht mehr so große Hagelbrocken aus, sondern kleinere. Bei kleineren Körnern ist die Chance, dass diese bis zum Eintreffen auf der Erdoberfläche schmelzen, größer.
Und das funktioniert?
Wir haben bei unseren Tests alle 2 km Messnetze aufgestellt, so genannte „Hagelplatten“. Die waren so eingestellt, dass wir Anzahl der Einschläge und Durchmesser der Hagelkörner sowie Aufprallenergie ablesen konnten. Wenn unsere Theorie stimmt, und die Hagelkörner kleiner werden, dann müsste man es auch bei unserem Langzeitversuch im Spektrum der Hagelkörner eine Verschiebung hin zu kleineren Korngrößen gegeben hat.
Sie machen es spannend, gab es diese Verschiebung?
Ja, die durchschnittlich verhagelte Fläche hat sich um 50 Prozent reduziert.
Wie kommen Sie auf die 50 Prozent?
Der Versuchszeitraum war in viermal fünf Jahre unterteilt. Anfangs waren zehn Stationen verhagelt pro Hagelschlag, und am Schluss waren es nur noch fünf. Die durchschnittlich verhagelte Fläche wurde halbiert. Außerdem waren die Einschläge, die anfangs noch im Zentrum des Schutzgebiets (Weingarten, Maisfelder etc.) gelegen sind, am Ende des Messzeitraums an den Rand gewandert.
Kommt es durch die Tätigkeit der Hagelflieger zu einer Verschiebung der Niederschlagsgebiete?
Ich bin seit 10 Jahre von der steirischen Landesregierung mit genau dieser Frage betraut, konnte aber noch nie feststellen, dass das Ausbleiben von Regen oder zuviel Regen auf das Beimpfen von Wolken zurückgeführt werden können.
Was halten sie von großräumigen Manipulationen, wie etwa bei den Olympischen Spielen in China oder den Einsatz von Regenmachern gegen Waldbrände in Singapur?
Ich bin absolut kein Freund davon. Wir sollten sensibel und vorsichtig gegenüber der Natur auftreten. Man weiß nie wie die Antwort der Natur ausfallen wird.
Wolken: Als weltweit einzigartig gilt die Aerosol- und Wolkenkammer AIDA in Karlsruhe. Dort wird erforscht, wie Laserlicht auf die Wolkenbildung wirkt.
Regenmacher: An der Freien Universität Berlin basteln Physiker an künstlichem Regen. Die Vision: Regen in Dürregebieten.
Klimakur: Der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen schlug Folgendes vor: Spezialflugzeuge sollen Schwefelpartikel versprühen, um die Sonneneinstrahlung auf der Erde zu reduzieren und die Temperatur zu senken.
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