Weihnachten verbindet Religionen

epa01584205 Palestinian children dressed up in Santa Claus outfits as they view the lights hung up in Manger Square in the West Bank town of Bethlehem on 23 December 2008. Behind is the Church of the Nativity, accepted as the traditional birth place of Jesus Christ. Tomorrow Bethlehem is expecting a huge increase in pilgrim coming to the town to take part in the festivities and the Christmas procession. EPA/YOSSI ZAMIR ISRAEL OUT
Wenn Christen Weihnachten feiern, zieht das auch Juden und Muslime in den Bann.

Eines lauwarmen Winterabends hing das Rentier am zweiten Stock der Vorderseite des Nachbarhauses. Total blau – nicht sein Zustand, aber seine Neonröhren. Wie kommt so ein Neon-Ren in die älteste Hafenstadt am Mittelmeer? Auf den Spuren Jesu, sagt sich schnell im Heiligen Land Israel. Und doch: Es hat etwas mit Weihnachten zu tun. Ein Fest, das auch bei Nichtchristen Neugier weckt. Das anzieht, vereint, aber auch trennt. Eine Spurensuche in Jaffas Straßen kann einiges ans Licht bringen.

In diesem Jahr leuchtet nur das christliche Weihnachten. Sogar die Kerzen des jüdischen Chanukka-Festes, die sonst oft mit dem Christbaum leuchten, sind seit mehr als einer Woche erloschen. Auch der muslimische Kalender, dessen Feste immer munter durchs Mondjahr purzeln, bringt in diesen Dezember keinen Festglanz. Ohne Weihnukka oder auch Mohammeds Geburtstag wird klar: Wer Lichter anzündet, kann in diesem Winter nur Weihnachten meinen.

Sterne wie Halbmonde

Auch Schmuels Augen glänzen. Im Haushaltswarengeschäft des 47-Jährigen drängen sich die Lichtsuchenden. Die Girlande mit 145 Lämpchen zu zehn Euro. Jingle Bells singt es aus der Weihnachtsmannpuppe vor dem Eingang. Mit staunenden Augen stehen die Kinder davor. Jüdische, muslimische, sogar einige christliche. Wenn jemand etwas über Weihnachtsdekoration in Jaffa weiß, dann Schmuel, ein Jude mit bulgarischen Wurzeln. „Schon meine Eltern verkauften in den 50er-Jahren alles, was zu Weihnachten gehört. Für die christlichen Nachbarn. Seit 15 Jahren aber steigt die Nachfrage.“ Was an der Einwanderung aus dem aufgelösten Ostblock in den 1990er-Jahren liegt. Aber auch daran, dass Juden und Muslime den Glanz der Girlanden für ihre eigenen Feste übernehmen. „Damit lassen sich Sterne wie Halbmonde formen. Sie machen sich auch gut zum jüdischen Laubhüttenfest.“

Lämpchen wechsle dich

Irgendwann machten die Christen zu Weihnachten den Anfang. Nach dem Fest liehen sich muslimische Nachbarn dann schon einmal die Girlanden aus. Innerhalb weniger Wochen können Glühlämpchen im Heiligen Land drei Mal die Religion wechseln.

In Jaffa leben 46.000 Menschen, davon 16.000 Araber. Zu ihnen gehören auch die Christen, deren Zahl unter 2000 liegt. So gesehen ist Jaffa äußerst unchristlich. Aber Licht braucht jeder. Und alle kaufen sie die Lichter zu Weihnachten. Auch für nichtchristliche Zwecke. Neonlicht als religiöses Statement. Irgendwann hingen zu Ostern Girlanden-Kreuze an Hauswänden. Einige blieben hängen. Das ganze Jahr. Gegenüber am Nachbarhaus hängt ein Halbmond. Keine der Synagogen blieb ohne buntbirnigen Davidstern.

Zu Weihnachten kommt dann zusätzlich noch ein Stern neben das Kreuz. Im Fastenmonat Ramadan ziehen die Sterne vor den Halbmond. Sie wollen Identität nach außen zeigen. Sollen aber auch etwas nach innen bestätigen.

Abuna (Vater) Ramsi von der Pfarre St. Anton auf der anderen Seite der Jeffet-Straße schraubt letzte Birnen in eine Lichterkette. Für die hohe Kiefer vor der Kirche. Der Franziskaner-Mönch weiß nicht sicher, wie viel Schafe seine Gemeinde zählt. Heute helfen die Jungs von der arabischen Pfarrjugend. „Aber am Wochenende gibt es Messen auf Spanisch, Polnisch und Englisch. Drei Priester arbeiten hier mit mir zusammen.“

Im Staat Israel findet sich die einzige wachsende christliche Gemeinde der westlichen Welt. Auch die kleine lokale arabische Gemeinde wächst wieder. Hinzu kommen immer mehr Gastarbeiter. Aber auch andere Christen, die es nach Zion verschlug – meist als Ehepartner jüdischer Einwanderer.Sie verbindet der Glaube, aber auch das Hebräische. 2004 richtete der Vatikan für die Hebräisch sprechenden Katholiken ein eigenes Bistum ein. „Katholim“ heißen sie auf Hebräisch.

Volle Kirchen

An Heiligen Abend kommen dann noch die Neugierigen aus Tel Aviv. „Die Juden kommen oft schon um neun Uhr zur Mitternachtsmette“, erzählt Jossef. Der arabische Küster der schottisch-anglikanischen Andreas-Gemeinde legt Wert auf eine hebräische Aussprache seines Namens. Sein goldenes Kreuz trägt er offen. „Die Juden wollen die gängigen Weihnachtslieder hören, klassische Musik und natürlich das Anzünden der Kerzen des Weihnachtsbaums erleben.“ Zwölf Kirchen gibt es in Jaffa. Vier davon katholisch, zwei evangelisch.

Weihnachten hat eben etwas, auch für Nicht-Christen. Die kommen nicht als Muslime oder Juden, sie kommen als Neugierige. Jaffa wird zum Anschluss Tel Avivs ans globale Dorf. Jaffa verschmilzt mit der Welt.

Santa Claus

Doch der Glanz dieses Festes hat auch etwas Missionarisches – und Mission weckt auch Misstrauen. Als sich Israels Supermodel Bar Refaeli im Dezember in Santa-Claus-Unterwäsche zeigte, waren Israels Medien verstört. „Warum kein Chanukka-Outfit?“, fragten sie.

Vor drei Jahren warnte in Jaffa ein Flugblatt eines Rabbis vor „heidnischen Gebräuchen“, auf Hebräisch. So formulierte es auch der Imam in seiner Predigt, auf Arabisch.

Licht-Experte Schmuel sieht die Sache in einem völlig andern Licht: „Es ist dunkel, es ist Winter. Da spielen alle gerne mit Licht. Und dann doch besser mit Glüh-Girlanden als mit Feuer.“

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